Amtsblatt 1905/20 der k.k. Bezirkshauptmannschaft Steyr

Steyr, 12. Mai 1905. Z. 10.651. An alle Gemeinde=Vorstehungen. Betreffend die Reinlichkeit in Bäckereien und Kon¬ ditoreien. In allen Geschäftsräumen der Bäckereien und Kon¬ ditoreien, beim Backen und allen damit zusammenhängenden Verrichtungen ist die größte Reinlichkeit zu beobachten namentlich sind alle Backgerätschaften peinlich sauber zu halten. Waschbecken und Spucknäpfe sind in ausreichender Anzahl aufzustellen. Die Handtücher sind nach Bedarf, min destens aber wöchentlich dreimal für jeden Arbeiter zu wechseln. Etwa auftretendes Ungeziefer ist sofort zu beseitigen Die Backstuben und Räume zum Aufbewahren von Back¬ waren, Mehl und dergleichen dürfen unter keinen Umständer zum Schlafen benützt und keinesfalls andere als zum Bäckerei¬ und Konditoreibetriebe gehörige Hantierungen in denselben vorgenommen werden. Die Backtröge und die zum Backen benützten Tische dürfen nicht als Schlafstätten oder zum Aufstellen von Eßgeschirren benützt werden. Die Fußböden sind aus einem leicht zu reinigenden Materiale herzustellen und dürfen, ebenso wie die Wände, keine Löcher besitzen, in denen sich Mehlstaub ansammeln kann, welcher als Brut¬ stätte von Mehlwürmern, Schaben 2c. dienen könnte. Die Backtröge sind aus glattem Materiale, am besten aus ver¬ zinntem Eisenblech herzustellen. Die Brotschragen, welche glatte, leicht zu reinigende Tragbretter haben sollen, sind nicht unmittelbar an die Wände zu rücken. Backwaren, Teig, Mehl und dergleichen sind jederzeit in überdeckten luftigen und trockenen Räumen aufzubewahren, nicht aber in Höfen, Schlafräumen oder an Orten, wo die Einwirkung von schlechten Dünsten, dumpfer Luft, Feuchtigkeit oder Ver¬ unreinigung zu besorgen ist. Die fertige Backware ist sofort in die Kühlstube, resp das Brotmagazin zu bringen und daselbst vor Staub geschützt auf reinlichen Tischen oder Schragen bis zur Verwendung zu bewahren und ist jede Berührung derselben mit unreinen Händen zu vermeiden. Beim Verkaufe der Ware ist daxau zu sehen, daß ihre Beschmutzung mit Straßenstaub sowie unnötige Betastung derselben von Seite der Kauflustigen verhindert werden. Zum unmittelbaren Einpacken von Back¬ waren darf beschriebenes oder bedrucktes Papier aus¬ genommen den einseitigen Aufdruck der Firma — nicht ver¬ wendet werden. Die Bäcker und Konditoren haben auf den Gesundheitszustand ihrer Gewerbegehilfen und Lehrlinge genau zu achten, haben die letzteren zur Beobachtung der größten Reinlichkeit bei der Arbeit anzuhalten und dafür zu sorgen, daß Kranke, insbesonders an Hautkrankheiten (Ausschlag, Bäckerkräze 2c.) Leidende nicht beschäftigt werden. Die er¬ wähnten Bestimmungen gelten auch für diejenigen Personen welche mit Backwaren handeln. Wer Bäcker= oder Konditor¬ waren aus verdorbenen oder verunreinigten Stoffen herstellt oder verkauft, macht sich eines Vergehens gegen das Lebensmittelgesetz schuldig und hat die dort angedrohten Strafen zu gewärtigen. Die Herren Gemeindeärzte sind ver¬ pflichtet, die Bäckereien periodischen Revisionen zu unterziehen und hiebei sowohl auf die im Vorangehenden berührten sanitären Verhältnisse des Betriebes ihr Augenmerk zu richten, als auch den Gesundheitszustand des Personals zu prüfen und bei wahrgenommenen Unzukömmlichkeiten die Anzeige der kompetenten Behörde zu erstatten. Von diesem Erlasse sind die interessierten Gewerbe treibenden und die Gemeindeärzte in ortsüblicher Weise zu verständigen. 101 Z. 10.624. Steyr, 11. Mai 1905. An alle Gemeinde=Vorstehungen. Betreffs Anzeige aller Sterbefälle, wo die Todes¬ ursache nicht konstatierbar ist oder wo während des Krankheitsverlaufes ein Arzt nicht beigezogen wurde. Wie aus den Epidemieberichten, aus den Behandlungs¬ scheinen der Aerzte sowie aus den vierteljährlich vorgelegten Matrikenauszügen hervorgeht, häufen sich in höchst auffälliger Weise die Todesfälle, deren Ursache nicht eruierbar ist, weil während der Krankheit des Betreffenden die Herbeirufung ärztlicher Hilfe unterlassen wurde Besonders auffallend ist die große Zahl verstorbener Kinder, deren Todesursache gänzlich unbekannt bleibt. Beim Auftreten von Epidemien wurde ebenfalls die Beobachtung gemacht, daß nur bei einer verhältnismäßig geringen Anzahl von Erkrankungen ein Arzt gerufen wurde und die größte Zahl der Erkrankten dem Arzte gar nicht bekannt wird. Durch das Einreißen eines derartigen Verhaltens der Bevölkerung wird nicht nur die Absicht aller Vorschriften und Bemühungen des Staates, des Landes und der Gemeinden „jedem Kranken eine rechtzeitig berufene ärzt¬ liche Hilfe erreichbar zu machen“, vereitelt, sondern es wird auch strafbaren Handlungen Vorschub geleistet und der Zweck der Totenbeschau sowie der Maßnahmen zur Ver¬ hütung und Tilgung von Epidemien illusorisch gemacht Die Gemeindeärzte, respektive Totenbeschauer, werden daher beauftragt, in jedem einzelnen Sterbefalle, wo die Todesursache nicht vollkommen klar erwiesen und vom behandelnden Arzte beglaubigt ist, die Beerdigung der Leiche nicht zu gestatten, für passende Unterbringung der Leiche in der Leichenkammer oder in einem kühlen abgesonderten Raume des Hauses zu sorgen und sofort, eventuell telegraphisch anher die Anzeige zu machenDieses Vorgehen ist auch in solchen Fällen einzuhalten wo zwar dem Totenbeschauer trotz Unterlassung der Berufung eines Arztes während der Krankheit die Bestimmung der Todesursache an der Leiche möglich ist, aber die Vermutung nahe liegt, daß bei rechtzeitiger Berufung eines Arztes die Rettung des Verstorbenen möglich gewesen wäre. In solchen Fällen wäre die Anzeige direkt an das zu¬ ständige Gericht zu erstatten. Die k. k. Bezirkshauptmannschaft wird in allen zur Anzeige kommenden Fällen die nötigen Verfügungen treffen, welche zur Konstatierung der Todesursache notwendig sind Von diesem Erlasse sind die Herren Gemeindeärzte gegen Vorlage des Verständigungsnachweises in die Kenntnis zu setzen. Steyr, 12. Mai 1905 Z. 10.604. An alle Gemeinde=Vorstehungen rc. Berichtigung. Zufolge Erlasses der k. k. o.=ö. Statthalterei vom 6. Mai 1905, Z. 9768, werden die Gemeinde=Vorstehungen 2c. beauftragt, in dem h. ä. Erlasse vom 4. Mai 1905, Z. 10.003 Amtsblatt Nr. 19, nach den Worten: Im Reichsgesetz= und Verordnungsblatte des k. k. Finanzministeriums die Worte; „Vom 1. April 1905, Nr. 52, R.=G.=Bl., und 5, April 1905, Nr. 43, Verordnungsblatt, einzuschalten.

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