Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1993

nen Spiel Gefallen fanden. Einer freilich, bei dem ich oftmals auf meinen einsamen Skifahrten einkehrte, der alte Hössbauer, blieb hartnäckig bei seiner Meinung, daß Skifahren ein frevelhaftes Treibenwäre; denn er konnte keinen Sinn darin finden, auf einen Berg hinaufzusteigen, bloß um müßig wieder herunterzufahren, und gottvergessen wäre es außerdem, weil dem Menschen, wie er zu mir sagte, die Beine, mit denen er einst erschaffen worden ist, für das Leben schnell genug sein müßten! Wozu sollte der Mensch noch etwas Schnelleres haben? Etwas Besonderes mußte geschehen, damit der alte Hössbauer eine bessere Meinung über das Skifahren bekam. Sein Hof war der höchste weitum. Wenn ich auf das Brandhorn stieg, machte ich dort gern Rast ; denn über dem Hof war kein Mensch mehr weit und breit, nur meh.r der Berg allein . So war es auch damals gewesen. Tief lag der Neuschnee überall. AUe Wege und Gassen vom Tal herauf waren verschneit . Ichmußte spuren undwar froh um eine kurze Rast. Ich schnallte ab und lehnte die Ski an die Hauswand. In den dunklen Gang tappte ich vorwärts, öffnete die Tür zur niederen Stube. Es war niemand da . Unheimlich still lag das alte Haus. Ich rückte zum Ofen hin. Da trat der alte Bauer ein. Er kam aus dem Stall, den vollen Milchsechter trug er in der Hand. Bekümmerter schien er mir als sonst . Das schlohweiße Haar hing ihm in die Stirne, in den Augen lag eine seltsame Unruhe. ,,Müßt ihr heut gar selber melchen, Höss?", fragte ich verwundert. ,,Woll, heut muß i selber melchen", sagte er tonlos, ohne mich anzusehen, leerte die Milch in die Zentrifuge und begann die Kurbel zu drehen. Das dauerte seine Zeit. WardenndieBäurin, die sonst die Arbeit tat, nicht imHause? Aber ich hatte sie doch oben in der Kammer sprechen gehört . Ichwollte fragen, doch der Alte war so in seine Arbeit vertieft, daß ich lieber schwieg. Ich aß, was ich zu essen mitgenommen hatte. Dann packte ich mein Zeug zusammen und warf den Rucksack über. Mit einem heiseren, langgezogenen Ton lief die Zentrifuge aus. Der Bauer stellte den Topf mit dem Rahm beiseite, stand auf und ging mit mir vor das Haus. Draußen die helle Sonne, der blitzende Schnee und oben kühn das Brandhorn mit seinen weiten, tiefverschneiten Hängen. Ich war wieder froh und nahm meine Ski. Aufmerksam schaute mir der Alte zu, wie ich die Bindung festmachte und den Strammer anzog. ,,Aufs Brandhorn?", fragte er. ,,Ja, gewiß, aufs Brandhorn!" Er schüttelte den Kopf. ,,Muß das sein?" Was sollte ich dem Alten darauf sagen? ,,Freilich, Höss", lachte ich, ,,das muß sein." Aber meine Antwort gefiel ihm schlecht und mein Übermut noch weniger. „Soviel Plage für nichts und wieder nichts", sagte er und mit bitterem Ernst fügte er hinzu: ,,Es ist halt doch Gott versuchen, was ihr da treibt." Einer, der diese Bergbauern nicht kennt , hätte vielleicht darauf gesagt : ,,Nein, im Gegenteil: Es ist ein Gottsuchen ! "Aber ich wußte, daß ein Bauer, wie der alte Höss , das nie und nimmer verstanden hätte. So schwieg ich denn und zog los. Es war einmühsames Spuren in dem tiefen Schnee und auch das Wetter hielt nicht , was ich erwartet hatte. Als ich um die Mitte des Tages die weiten Bögen der Koglalm erreichte, schoben sich von allen Seiten die grauen Wolkenbänke heran. Die Sonne verschwand hinter düsteren Nebelschleiern. Ein graues, dämmerndes Licht fiel über den Tag. Nach einer Stunde nebelte es völlig zu, und als ich endlich aufatmend auf dem Gipfel des Brandhorns stand, begann es zu schneien. Ich konnten nicht lange rasten und richtete mich zur Abfahrt. 39

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