Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1956

este 20 #1 1# 7e# SEFLICtSierd G 1— 5 2 1 1□g HBI1 Besuch im Finanzministerten Franz Karl Ginzkey □ 5 Als junger Offizier trug ich mich mehrmals mit dem Ge¬ danken, meine Lebensstellung zu ändern, da ich mich diesem so ehrenwerten und durchaus hochzuschätzenden Berufe nicht in allem gewachsen fühlte. Die merkwürdigste Erfahrung, die ich bei dieser Gelegenheit machte, war mein Besuch im Finanz¬ ministerium. Eine mir befreundete Baronin, eine lebenskluge Dame in reiferen Jahren der ich von meiner Absicht sprach, hatte mir nämlich ein Briefchen an den machtvollen Sektionschef Grafen R. in eben jenem Ministerium mitgegeben. Ich zählte zu den im Besuchern ihres Salons, in dem sich nebst einigen älteren Her¬ ren aus der höheren Beamtenschaft auch allerlei junges Künstler¬ volk zusammenfand, eine Mischung, wie sie vielleicht nur in den österreichischen Salons zu finden ist □ „Diese Zeilen werden Sie zweifellos an das Ziel Ihrer Wünsche bringen!“ sagte die Baronin. „Graf R. ist mir ein lieber alter Freund, grüßen Sie ihn herzlichst von mir! Mit dem zierlichen rosaroten Briefchen bewaffnet und nicht TS wenig zuversichtlich rückte ich am nächsten Vormittag gegen das SEIRARNC (HINerek)) Finanzministerium vor. Der Name des Sektionschefs wirkte EE F Wunder. Türen flogen auf, Amtsdiener verbeugten sich, über Steintreppen gelangte ich auf Teppichfluchten und stand alsbald im Vorzimmer des Allmächtigen. Sein Sekretär, ein noch auf¬ M0 fallend junger Herr mit gestutztem Schnurrbärtchen, verschwand mit meinem Briefe durch die Tür und kam auch gleich mit dem verbindlichsten Lächeln wieder zurück. Seine Exzellenz war be¬ reit, mich zu empfangen Ich habe es zeitlebens als erquicklichste Eigenschaft meines Wesens verspürt, in entscheidenden Augenblicken von einer merk¬ würdigen Objektivität erfüllt zu sein, die mir erlaubte, wichtige 6 — H Ereignisse sozusagen als Außenseiter zu betrachten und ihre bild¬ liche Erscheinung fast höher zu werten, als die Bedeutsamkeit des es Augenblickes. Und so kam es daß ich auch diesmal, obgleich sich um etwas sehr Wesentliches für mich handelte, mich in merkwürdig visionärer Eingebung plötzlich selbst eintreten, mick selbst stramm verbeugen sah in meinem rosapaßpoilierten Waf¬ fenrock und mich auch mein eigenes Anliegen vorbringen hörte, nachdem ich vorerst noch die Grüße der Baronin übermittelt hatte. Zugleich empfand ich aber auch: es ist doch etwas Schö¬ nes darum, ein so hoher Herr zu sein, die Sache gefällt mir! 41 L 93) 4 IlIh

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