Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1949

Wenn zu Zeiten die Arbeit schwer war, so hielt meine Mutter viel auf einen guten Tisch. — „Wer lustig arbeitet, mag auch lustig essen“ meinte sie „meine Mutter hat allemeil gesagt: wer sich nichts traut anzubringen, der traut sich auch nichts zu gewingen (gewinnen). Mein Vater nahm vorlieb mit schmaler Kost; er fürchtete immer den Ruin des Hauses. Das waren in der Ehe die einzigen Zwistigkeiten. Aber sie griffen nicht tief. Sie äußerten sich nur gegeneinander; wenn der Vater mit fremden Leuten sprach, so pries er die Mutter; wenn die Mutter mit fremden Leuten sprach, so pries sie den Vater. In der Kinderzucht waren sie eins. Arbeit und Gebet, Sparsamkeit und Redlichkeit waren unsere Hauptgebote. Vom Vater bekam ich nur ein einzigesmal ordentlich die Rute. Vor dem so Hause hin war junger Lärchen= und Tannenanwuchs, der nach und nach hoch emporwuchs, daß er die Aussicht auf die jenseitigen Berge verdeckte. Ich hatte aber diese Aussicht lieb und ich meinte, auch der Vater müsse mir Dank — die wie ich damals ein unternehmender Knabe war wissen, wenn ich — Bäumchen umhieb. Und richtig, eines Nachmittags, als alle auf dem Felde waren, schlich ich mit einer Axt in das Wäldchen und hub an, junge Bäume umzuhauen. Da kam zu guter Stunde mein Vater herbei; aber der Dank, den er mir wußte, sah wunderlich aus. „Leih' mir die Hack', Bub!“ sagte er ruhig. Ich dachte, jetzt greift er selber zu, um so besser, und gab ihm die Axt. Er haute damit eine Birkenrute ab und strich sie glatt über meinen Rücken. „Wart!“ rief er, „wenn du den jungen Wald umbringen willst? Er hat noch Ruten für dich!“ Von meiner Mutter bekam ich die Rute auch ein einzigesmal. Da stieß ich einmal — wie ich schon gern auf □ dem Herde saß, wenn die Mutter 6 kochte — den vollen Suppentopf um, S so daß das halbe Feuer gedämpft 1 wurde und ich mir schier die bloßen 2 — —— Füßchen verbrannt hätte. Meine Se S — —.— Mutter war den Augenblick nicht da¬ 102 ∆ — gewesen, und als sie nun auf das — 8.— 1 S mächtige Gezische herbeieilte, rief ich, 1 25 feuerrot im Gesichte: „Die Katz', die 8— 6 S 1 Katz' hat den Suppentopf umgewor¬ fen! Er haute eine Birkenrute ab und strich „Ja, dieselb Katz hat zwei Füß' und sie glatt über meinen Rücken. kann lügen!“ versetzte die Mutter und Zeichnung von Jörg Reitter d. J. nahm mich und strich mich eine lange Zeit mit der Rute. „Wenn du mir noch einmal lügst“ rief sie hernach, „so hau ich dich mit dem Ofengabelstiel!“ Ein arges Wort! Aber die Ausführung — Gott sei Dank — nicht nötig geworden. ist Hingegen wenn ich gut und folgsam war, so wurde ich belohnt. Mein Lohn waren Lieder, die sie mir sang, Märchen, die sie mir erzählte, wenn wir zusammen durch den Wald gingen oder sie abends an meinem Bette saß. Das ich habe es von ihr. Sie hatte in sich eine ganze Welt voll — Beste in mir Poesie. Als nach und nach meine Brüder und Schwestern kamen, da hat uns die Mutter alle gleich geliebt, keines bevorzugt. Als hernach zweie in ihrer Kind¬ 75

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