Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1927

56 „Was ist denn billiger?“ „Rückfahrkarten.“ „Nachher nehmen wir solche. Macht?“ „Eine Mark achtzig pro Person. Im ganzen drei Mark sechzig .. . „Ja, Himmelhagelbuxbaum!“ braus der Hiesel auf. „Zuerst sagt er, die Rück¬ fahrkarten sind billiger wie die einfachen und nachher kosten sie um achtzig Pfennig mehr!“ Der Beamte lächelt wieder. Und der noble Herr auch*** „Dafür können Sie aber dann wie¬ der zurückfahren auch . . . Und koste nichts mehr. „So so — nachher ist's mir schon recht. Und der Hiesel büchselte das Geld heraus, weil es einfach nicht mehr andere geht. Der Beamte gibt uns dann die Karten, macht aber zuerst ein Löchlein hinein. Der Hiesel steckt die Karten in das Hutband und seufzt: „Oh mein Bub, mein Lebtag tu' ich nimmer Eisenbahn¬ fahren . . . Das merk' ich mir. So ein Heidengeld ...! Der Beamte geht und lächelt. Unter der Tür schaut er auf den noblen Herrn zurück und tupft sich ans Hirn wie der Hiesel vorhin . . . Da nickt der noble Herr unterm Büchel hervor und lächelt noch einmal ..* Wir zwei aber schauen wieder zum Fenster hinaus und wundern uns über die fliegende Welt. Fliegende Bäume Häuser, Hecken, Steine, Stangen, Felder — alles fliegt. Wie wir uns genug gewundert ha¬ ben, meldet sich unser Urgefühl: der Ma¬ gen: Der Hiesel zieht ein Stück Rauch¬ leisch aus der Tasche nebst einem Keil Brot und bröckelt alles fein säuberlich auf. Weil uns aber jetzt die Stiefel im Weg stehen, hängt der Hiesel sie an ei¬ nen runden Hacken, der aus der Wa¬ gendecke ragt. Um den Hacken steht auf einem weißen Schildchen eine lateinische Schrift: Not=Bremse. Ich weiß natürlich nicht, was das bedeutet, und der Hiesel weiß es erst recht nicht; denn der kann die Schrift ja nicht einmal lesen. Der noble Herr schaut wieder kurz von seinem Büchlein auf, sieht die Stiefel an der Not=Bremse baumeln und lä¬ chelt wieder. Was mag das bedeuten? Jett haben wir wenigstens Platz für un¬ er Rauchfleisch auf der Bank. Wir lassen es uns trefflich munden und kauen wie — Auf einmal wird es zwei Mastochsen. chwarz um uns her, schwärzer noch wie unser Rauchfleisch. „Was ist das?“ „Auweh! Jetzt gehl's dahin!“ schreit der Hiesel auf und stürzt nach den Stie¬ seln. Denn wie können wir wissen, daß da ein Tunnel ist, in den wir eben ein¬ gefahren sind? Die Stiefel läßt der Hiesel um keinen Preis im Stich, auch wenn es in den Tod geht. Da er sie im Au¬ genblick nicht losbringen kann von dem Hacken, hängt er sich mit seiner ganzen Leibesschwere daran und zerrt und zieht. Nach kurzer Zeit ist es wieder hell im Wagen; der Zug surrt so eigentümlich, als wär' ihm ein eiserner Radschuh untergelegt ... Der Hiesel hat die Stiefel richtig los¬ gerissen und der Haken hängt auch ein gutes Stück länger aus der Decke als vorhin. Der Zug tut noch ein paar Schnaufer, dann steht er ganz. Mitten in einem Wald ... „Schau hinaus, was wir für eine Station haben jetzt“ sagt der Hiesel. „Gar keine“, sage ich. „Denn ich ehe weit und breit keinen Bahnhof.“ Aengstlich blickte ich um mich. Mir chwant nichts Gutes. Denn der noble Herr mit dem Buch lacht so eigentüm¬ lich, und draußen vor den Wagen laufen die Eisenbahner hin und her, fluchen, poltern, wettern. Die Tür geht wieder auf und der Beamte mit dem grimmigen Schnauz¬ bart steht da, schaut sich den Schaden an und mißt den Hiesel, der mit seinen Stiefeln unter der verbogenen Notbremse steht, vom Scheitel bis zur Sohle. Dann fragt er ihn um seinen Namen,

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