Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1927

34 mehr Bedeutung bei, als sie in Anbetracht der einfachen Umstände verdienen. Nur der Wildberger Franzl, sein Kommilitone, dem er unbemerkt zublinzelt, versteht ihn. Die zwei sind über einen Leisten ge¬ schlagen, und einer errät die Gedanken des andern. Da braucht es nicht viel Reden Wie der Zollinspektor auch heute wieder seiner Unzufriedenheit mit den ein¬ fachen, aber in jeder Weise gediegenen Verhältnissen in Walddorf Luft macht wiewohl er jeden Tag außer seinem Ge¬ — stehl halt fünfzehn Mark Zulage hat es bei den Studenten fest, daß hier gründ¬ lich Wandlung geschaffen werden müsse Da die Regierung den unliebsamer Beamten nicht versetzt, so wollen sie seine freiwillige oder unfreiwillige „Verände¬ rung“ selbst in die Hand nehmen und ihn auf ewige Zeiten in Walddorf un¬ möglich machen. Nach Beendigung des Spiels be¬ geben sich die beiden hinaus, während drinnen der Inspektor weiter lamentiert „Hörst ihn wieder?“ meint der Toni. „Mir wachst es schon zum Hals raus!“ sagt der Franzl. „Da muß was geschehen dawider.“ „Und bald. Diese Tatsache steht fest — da beiß keine Maus einen Faden ab. Wenn sich die zwei was vornehmen, dann wird es etwas. Von Haus aus helle Bauernbuben, haben sie, was Spitz¬ büberei betrifft, im Umgang mit Pro¬ fessoren und mehr oder minder gleich¬ artigen Kameraden in der Studienstadt noch dazugelernt. So ein Student ist ofl notgedrungen auf allerlei Schliche und Schelmereien angewiesen. Und so kommt es, daß sich bei manchem ein gewisser Sinn für lose Streiche herausbildet, die selten schaden, aber manchmal nüten. „Halt“, sagt der Toni nach einer Weile Ueberlegens, „ich hab's! Wir schwärzen eine Sau über die Grenz herüber. „Aber was für eine?“ Der Toni flüstert dem Franzl ein paar Worte ins Ohr, worauf dieser einen Luftsprung macht. Das weitere Wie und Was wird noch schnell verabredet, dann begeben sich die beiden wieder ins Herren¬ tübl und bringen, wie unabsichtlich, das Gespräch wieder auf die Schweinepest Der Zollinspektor am oberen Tisch¬ ende spitzt die Ohren. Er muß es auch, da die beiden leise reden, so, als ob es der Zollinspektor nicht hören dürfte. „Denk dir“ fängt der Toni an. „heut' war meine Mutter auf Besuch bei einer Verwandten in Talberg*); die hat einen Knecht, der liegt im Sterben. Du kennst ihn ja, den Peschl Muckl.“ „Freilich, kenn' ich ihn. So ein kraftstroßender Kampl! Und im Sterben liegen? Unglaublich! Was fehlt ihm denn?“ „Schweinepest!“ — was? Schweinepest? Wie „Wie kann denn ein Mensch die Schweinepest haben?“ Ganz einfach: Wenn einer das Fleisch einer verseuchten Sau genießt. dann kriegt er halt auch die Pest und muß elendiglich zugrunde gehen, wenn er nicht mit dem Leben davonkommt. „Ja, aber wie kann denn ein Bay¬ rischer die Schweinepest bekommen, wo doch unser Gebiet — dank der Wach¬ amkeit unserer Herren Zollbeamten noch völlig seuchenfrei ist?“ „Unsere Schweine sind ja, Gott sei Dank, noch nicht infiziert. Aber es wer¬ den, dem Vernehmen nach, täglich ver¬ euchte Tiere aus Oesterreich eingeführt. In Schwarzenberg soll sich sogar eine Aktiengesellschaft für den Export infizierten Tiere gebildet haben, die den Vertrieb nach Bayern an ganz gewiegte Schmugglei sie vergeben hat. Von drüben bringen die Schweine, und hinüber schaffensie Saccharin. So verdienen die Leute dop¬ pelt. In Passau haben sie ihre Haupt¬ niederlage. Und dort war es auch, wo sich der Knecht meiner Base, als er eine Fuhre Flachs hinbrachte, in einem Gast¬ haus den sichern Tod angegessen hat. „Aber wie kommen denn die Schweine, da doch die Grenze Tag und *) Nachbarort.

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