Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1927

106 haben können. Aber der Brunnenhuber Lenz wettert Die Boschenwaben gar, die jetzt auf darin: „Hört auf, ihr Lümmel, der Marsch gehört ja dem Gori!“ Goris Kerberge sitzt, kann sich über seine Gutheit nicht genug wundern. Sie, die Da blasen die Musikanten die Leute dem Junglebendigen einst eine Maulschelle zur Stube hinaus; die sind es so auch zufrieden, denn so eine lustige Leiche hatgab als Antrag auf seinen Liebesantrag, schmückt dem Toten jetzt das Grab. Und es im Dorfe noch nie gegeben. Und dem Gaglgori ist sein Wunsch soweit in Er¬es ist kein Hügel im ganzen Friedhof, füllung gegangen: Niemand hat bei seiner der soviel Blumen hat wie der des Gaglgori. Leiche geweint, aber alles hat ein paarmal wenigstens gelacht. Woraus man sieht, wie eine Maul¬ Wie die alten Knechte und Dirnen, chelle, zur rechten Zeit hingewischt, noch die Häuselleute und die Güterkinder aus nach Jahren Blüten tragenkann, für Goris Erbe soviel Geld bekommen haben, Geber und Empfänger. ist doch noch geweint worden auch, aber Der Gaglgori lebt heute noch in nicht aus Trauer, sondern aus Rührungaller Leute Munde, wieder ein Beweis, daß und Dank. Das sind immer die besten „mit dem Tode noch nicht alles aus ist.“ und tröstlichsten Tränen, denn sie sprießenDenn die Werke des Guten wirken fort, auf wie eine heilige Herzenssaat: undauchüber Grab und Leibeskot hinaus. die Liebe, die sie spiegeln, wird weiter Und der Gaglgori hatte recht, wenn in den Herzen wirken und wieder Liebe er sich eine lustige Leiche anschaffte und wecken, das Beste, was Erdenkinderkeine kraurige. WIIIIWIITHIWITT. Der letzte König der Polen. Historische Skizze von Mathilde Weil „Kurier aus St. Petersburg“ rief die „Schon möglich!“ lachte der frische frische Stimme eines Meldereiters in dasReiter, „aber ich bin im Galopp die ganze Vorgemach, das zu den inneren GemächernNacht geritten, um einen Brief Ihrer. Majestät des Warschauer Königsschlosses führte. der Kaiserin Katharina, Beherrscherin aller In dem pomphaft eingerichteten Vor¬ Reußen, zu überbringen!“ gemach, in dem deckenhohe Spiegel in „Ach Gott!“ meinte der Kammerherr gleißenden Goldrahmen die staubbedeckteleichthin, „das Brieflein wird doch nichts Gestalt des Kuriers zurückblinkten, herrschte anderes enthalten als leidenschaftliche Liebes¬ Totenstille. Endlich nahten sich Schritte beteuerungen, und seine Majestät König eines Kammerherrn, der trotz der zeitigenAugust Poniatowski von Polen ist jetzt ander¬ Morgenstunden schon sehr sorfältig gekleidet wärtig in Rosenfesseln.“ war. „Ah! Darum muß ich meinen edlen „Kurier aus St. Petersburg,“ rief der Araber zuschanden reiten,“ meinte der Kurier, Reiter wieder mit schmetternder Stimme. oder „wahrscheinlich ahnt Ihre Majestät — St! St! Stl mein Lieber.“ flüstert 7 daß ihr wurde Ihr etwas hinterbracht — der eintretende Kammerherr, „wer wird königlicher Liebhaber —“ den in aller heiligen Früh —es ist kaum sieben Uhr morgens — so toben! Seine „Still um Himmelswillen, still!" mahnte Majestät ruhterst im ersten Schlummer — dennder Kammerherr, „wer wird so unvorsichtig sein. wir gingen sehr spät zu Bette Verstanden? — Geben Sie mir Ihr Brieflein, ich

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