Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1927

weinen sollte, darf nicht mitgehen. Denn ich bin nicht gestorben, sondern lebe, weil ja der Mensch unsterblich ist. Darum sage ich euchfauch nicht Behüt Gott, sondern auf Wiedersehn in einer besseren Welt Gaglgori. Die Leute wundern sich wohl über seltsamen Kauz, aber sie kun ihm den den letzen Willen, wie geheißen. Es ist eine schöne Leiche, niemand weint, aben es lacht auch niemand. Denn der Tod ist immerhin etwas, das jedem Mitgänger zu denken gibt. Erst nach Erledigung des kirchlicher Begräbnisses, wie die Leute zum Leichen¬ trunk beim oberen Wirt zusammenge¬ kommen, vergißt man den Todesernst und fühlt die Lebenswärme wieder. Die Tische dampfen ja von gewaltigen Wurst¬ schüsseln, und Berge leckerer Salzbrötchen türmen sich zuhauf — wie soll da der lebendige Adam an den Tod denken Die Leute lassen sich's schmecken, um¬ somehr, als der Gori niemand hinter sich hat, dem die Kosten des Leichentrunkes zur Last fallen könnten. Besonders die kleinen Buben hauen drein wie die Drescher und füllen sich auch die Taschen noch, damit sie auf dem Heimeg auch noch was haben. Ueberhaupt, wer sollte geschämig sein bei einem Leichentrunk wo niemand da ist, der einem auf den Mund sieht und das Allzuviel verübeln könnte? So geht es bei dem Leichentrunk chier zu wie bei einem Hochzeitsschmaus Keine Seele dächte mehr an den Gaglgori. wenn sich dieser nicht selbst zum Wort meldete. Nämlich, der Brunnenhuber Lenz, ein alter Krauterer und Spezl des Gori, erhebt sich jetzt und verliest das Testament des Verblichenen: „Schmeckt's wil euch, Leut'? Nachher ist's recht. So ich's haben bei meinem Leichentrunk Ich brauch' nichts mehr, und es wär' sünd und und schad' um die saftigen Würst die reschen Brezen, wenn sie nicht ge gessen würden. Jetzt lust auf, was euch der Gori noch sagen möcht' Erstens: Ich bitt alle um Verzeihung die ich als Hochzeitslader zusammen¬ 105 gebandelt hab', weil ja sonst die Welt aussterben tät'. Die Ledigen brauche ich ich nich nicht um Verzeihung bitten, weil die so noch den Himmel auf Erden haben, wenn sie auch meinen sie wären schlechter dran wie die Eheleut'. Zweitens: Die Kammerfensterbuben sollen aufhören, sonst erscheine ich ihnen als Geist und ziehe ihnen die Leiter weg. Ihr wißt wohl, warum euch der alte Hochzeitslader das sagen läßt, ihr Sau¬ oder? bären! Brauchts nichts weiler - Drittens: Die Betschwestern und die alten Weiber, die den geistlichen Hoch¬ mut haben und nur die fremden Sünden ehen, ku' ich ernstlich verwarnen. Denn wie ich jetzt in der Ewigkeit seh', ist die Hölle nicht mit guten Vorsätzen gepflastert, sondern mit schlechten Nachreden. Und das höllische Feuer ist anders heiß. Deixl! Deixl! Soll ich noch mehr sagen? Ich glaub', es langt. Viertens: Ihr werdet schon denken, wann kommt denn dem Gori sein Geld? Hat er eins oder keins? Geld genug hat er. Und wem wird er's vermachen? Ja, wem denn? Den Leuten halt, die's not haben. Das sind einmal die alten Knechk' und Dirnen, die Häuselleuk' und Güterkinder. Jedes Arme im Dorf kriegt 1000 Markl, denn die Reichen haben so genug. Mein Häusl und meine anderen Sachen kriegt die Boschenwaben zum Dank dafür, daß sie mich nicht geheiratet — hat, wie ich ihr als junger Opritzer einmal einen Antrag gemacht hab'. Sie hat ganz recht gekan, und ich dank' ihr's heute noch in Ewigkeit, daß sie mir damals eine aufs Maul gehaut hat. Also Waben, nimm die Sach' an, du kannst sie gut brauchen, und es langt dir leicht für deine alten Tag.' Und denk' an meine Seele in der Ewigkeit. Nachher ist's schon recht. Musikanten, blast's einen Landler auf! Die Gastzimmertüre geht auf und die Dorfmusikanten blasen, gerade wie bei einer Hochzeit, den steierischen Hupfauf der den Leuten in die Füße geht. Bald wirbeln die lachenden Paare durch die Stube.

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