Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

Glück. Von M. Stokkebye. weglich auf das Kreuz im Altarraum In der alten, schönen Stadtkirche, gerichtet. Auf der Stirn, um den Mund während eines Orgelkonzertes, da war chmale tanden Schmerzensfalten; das es, daß ich sie zum erstenmal sah. Ich Gesicht trug den Ausdruck herber Insich¬ hatte ihren Namen flüchtig nennen hören Geschlossenheit. Zugleich lag aber auch doch nichts Eigenartiges verband sich über den feinen Zügen eine seltsame für mich mit dem Klang desselben. Nun Gespanntheit, etwa wie eine Erwartung, lauschte ich schon eine ganze Weile der ob von einem großen Kummer oder wunderbaren Musik, die von der Orgel von einer großen Freude, das konnte ich her über mich hinströmte. Eine Meister¬ nicht erfassen. Ich dachte: was für ein hand, innig vertraut mit dem großen schweres Leben muß sie wohl haben, ich Werk, zauberte die Töne hervor, sie würde sie gerne kennen lernen; sie ist schwollen an, verbreiteten sich, durch¬ o anders, etwas ganz für sich ... Da fluteten den ganzen hohen Kirchenraum rauschten die Orgelköne wieder einher jubelten und frohlockten, wurden ernst rissen mich vollständig in ihren Bann, und dunkel, voller Wehmut und Trauer trugen meine Seele weit fort und alles kämpften in schweren Disharmonien, um mich versank, ich vergaß die fremde rangen und quälten sich, wie tausend Frau, die Menschen neben mir und war chmerzerfüllte Seelen. Und fanden den elig zu Hause in der klingenden Schön¬ Weg ins Licht und stiegen kraftvoll und heit. Mehrere Wochen vergingen, in glaubenskühn hinauf zum Thron des denen ich nichts von Frau v. Volkener Höchsten. Mein Innerstes, ganz in An¬ sah und hörte. An einem hellen Winter¬ dacht versunken, folgte dem hohen Flug tage um die Mittagszeit schlenderte ich der Töne und ich erschrak fast, als mein über den Marktplatz des kleinen Uni¬ Begleiter mir zuflüsterte: „Sehen Sie versitätsstädtchens, das ich bewohnte. einmal hinüber, da links an der Säule Auf den spitzen Dächern der alten sitzt Frau v. Volkener. Ich habe Ihnen Patrizierhäuser lag hingepuderter Schnee, schon von ihr gesprochen.“ Ich schaute der im Sonnenschein glänzte, darüber hinüber. Die Kirche war matt erleuchtet. das klare Himmelsblau. Die Wasser des Im Alkarraum schimmerten die hohen Rathausbrunnens sprangen mit leichtem Glasfenster in weichem bläulichen Licht Schwung in die frische Luft, festlich und in diesem eigentümlichen Blau, das so freudig sah der ganze Platz aus, mit beruhigend und tröstlich wirkt, und eine einen schönen Bauten aus vergangenen Sehnsucht weckt, die nicht bitter ist, son¬ Jahrhunderten, die neuerdings fast alle dern sanft, hingebungsvoll, erfüllungs¬ farbige Gewänder erhalten hatten. froh. Die hohe Säule, neben welche In all' dieses Lichte und Helle trat Frau v. Volkener saß, war leuchtend plötzlich eine schlanke, dunkle Gestalt, weiß, als ob sie alles spärliche Licht der die gerade auf mich zukam. Es war ggroßen Kirche in sich getrunken hätte Frau v. Volkener. Ich erkannte sie von Aber das Antlitz der noch jugendlichen weitem. Sie war ganz schwarz gekleidet Frau erschien mir noch weißer. Sie sah und ging schnell, wie in tiefe Gedanken gerade aus, die dunklen Augen unbe¬

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