Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

78 hergebrachter Sitte Trinkgefäße und Waffe zugleich gewesen. Am Spätnachmittag waren die ersten Großbauern aufgebrochen, und bald be¬ deckten Hunderte von Gefährten und neu erstandenen Pferden die Landstraße. Die ersten rasten an Taverl, der sich vor seinem Wirtshaus aufgepflanzt hatte achtlos vorüber, an dem Enzian, dem Engel, dem Löwen vorbei, hin zu den heimatlichen Gestaden. Aber plötzlich gab es einen kleinen Aufenthalt. Ein reicher Landwirt und unentwegter Trinker, der noch immer aufrecht stand, wenn seine Kumpanen längst die Glieder streckten, zwinkerte nach dem Waldfrieden. Der hatte ausgelitten; aber dafür las man in roten Buchstaben die neue, geheimnis¬ volle Aufschrift: „Zum spukhaften Bier¬ faß“. Das mußte man sich aus der Nähe ansehen. Ein Dutzend Bauern stieg ab und schlenderte breitspurig in die Wirts¬ tube. Von einem Ausschank war nichts zu sehen. Lange Bänke, rote Tische und in der Mitte vom Lokal ein knallrotes Fässel, das etwa dreißig Liter fassen konnte. Die Bauern hielten sich die Seite; „Is nix los bei Dir, Taverl. Dös kloane Bierfässerl; hast sunsten nix herg'richt? 30 Liter, dös trinkt bald oaner alloane!“ Aber Taverl kam nicht aus der Fassung. „Trinkt Ihr dös spukhafte Bierfaß heut leer, kriagt jeda a Maß Starkbier umasunst!“ Das war ein Treffer. Dröhnendes Gelächter scholl durch den Raum. G'schpassig war der Taverl, das mußte man ihm lassen. „So oan winzig's Fasserl und so ein großer Durst“. Da mußten viele heran. „Nichts als hinein!“ „Hier gibk's a Gaudi!“ Der Wirk brauchte keinen Finger zu rühren, die Bauern besorgten für ihn das Geschäft. Draußen hielten die Wagen, trampelten die Pferde mit den kostbaren Messinggeschirren. Lautes Leben füllte den Saal. Die Männel saßen breitbeinig an den Tischen. Derbe Witze flogen hin und her. Wie bunte Tropenvögel schaukelten auf den Hüten die grellroten, grünen und gelben Feder¬ üsche aus Keferloe. Alles strömte her¬ bei. Auch die Leute vom Ort, die dem verwegenen Wirt längst Tod und Ver¬ derben prophezeit hatten. Die wenigen Gäste in den benachbarten Wirtsstuben tranken hastig aus und eilten ins „Spukhafte Faß“. Die Wirke machten ange und saure Gesichter. Aber was half es. Die Losung war ausgegeben; es gab kein Halten mehr und sie mußten roh sein, ihre Stühle, 10 Pfennig pro Sitz, an den Taverl zu vermieten. Und das Bier nahm kein Ende. Weiter und weiter schenkte der lustige Wirt aus. Die Nummern an den Krügen wurden immer höher. Große Zechen wurden bezahlt. Die wenigsten verfügten noch über klare Sinne und gerade Beine. Das Fassel wurde nicht leer. Resi hatte ich längst aus dem Enzian gestohlen und stand nun wacker zu ihrem G'schpusi, bediente, kassierte ein, ließ sich in die Backen kneifen. Und noch immer quoll aus dem Faß das köstliche Naß. Das ging nicht mehr mit rechten Dingen zu. Der lebhaftige Teufel saß im spukhaften Faß und trieb mit den Menschen seine Possen. Als es Mitternacht schlug, erklärten die Bauern sich für geschlagen, torkelten aus der Wirksstube und stiegen mühsam auf ihre hohen Wagensitze. Am nächsten Morgen erschien die Polizei, um sich aus der Nähe den Spuk anzusehen. Die hatten die Neider dem Taverl auf den Hals gehetzt. Höf¬ lich empfing Resi die Herren. Sie schauten sich um, konnten aber nichts Verdächtiges und Strafbares finden. Viel später erst erfuhr man, daß an enem denkwürdigen Tag das spukhafte Faß nicht durch den Teufel, sondern öchst einfach durch eine elektrische Pumpe #espeist worden war. Die Entdeckung konnte dem Taverl cht mehr schaden. Er war ein gemachter Mann. Der einzige Wirt am Ort. Und die Resi war seine junge Frau.

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