Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

in dem kleinen Vorort nicht genügten, um die trockenen Kehlen der Halbstädter und benachbarten Bauern feucht zu halten. Jetzt war er der Vierte am Ort. Sein Vorgänger hatte Konkurs gemacht und die Wirte im Blauen Enzian, im Engel, im Löwen, die keine hundert Meter von einander trennte, saßen auch mehr auf dürrem Reißig, als auf Hopfen und Reben. Klatsch und Mißgunst liefen wie herrenlose Hunde umher. Jeder hatte dem andern Tod und Teufel geschworen und sann Nächte lang darüber nach, wie er sich den gefährlichen Konkurrenten vom Halse schaffen konnte. Der Enzian¬ wirt besaß weltmännische Gewandtheit; eine Gaststube mit den weißen, blumen geschmückten Tischen, zu denen die breite Masse des Volkes kein Verhältnis hatte, war für die obersten Zehntausend, die leider nur aus zwanzig Seelen bestanden, bestimmt. Anheimelnder war es beim Besitzer vom „Engel“, der wie der Menschenfresser im Märchen mit hohen Schaftstiefeln, weißer Schürze umherging und mit einem langen Messer die Würste köpfte, die auf rohem Holz verzehrt wurden. Vielleicht hätte dieser das Ge¬ chäft gemacht, wenn nicht der Löwenwirt gegenüber ihm mit seinem selbsttätigen Pianola die Kunden gewissermaßen aus den Händen gewunden hätte; doch selbst er kam nicht auf einen grünen Zweig, weil die Bauern lieber im eigenen Dorf, in sicherer Nähe ihrer Behausung soffen. Was sollte da der Taverl mit seinem Waldfrieden? Was überhaupt mit dem ausgesaugten, blassen Frieden, er, der das heiße, farbenfrohe Leben brauchte? Heimlich lachte man ihn aus und gönnte ihm, der nie in seine Karten schauen ließ, dem sich das schönste Mädchen im Ort versprochen hatte, den kläglichen Bankrott. 7 — schaugt's nur: „Lacht nur Taverl brach selbst in ein befriedenes Lachen aus und betrachtete sich im gänzlich hergestellten Gleichgewicht seiner Seele das neue Wirkshaus. Er hatte schon mal. seinen Plan. Zum Teufel noch Und alle würde er sie unterkriegen! 77 Er stieg auf die Staffelei und bald prangte in roten Lettern das neue Wirtshausschild: „Zum spukhaften Bier¬ aß“. Das klang schon mehr nach Erfolg und klingendem Geld, als der dösige Waldfrieden. Und die Leute sahen es, taunten, spotteten, die drei Wirte hohn¬ lachten und wären darüber fast Freunde geworden und man sprach von nichts anderem, als vom Taverl und seinem Bierfaß. Das war ihm gerade recht. Was die andern mit Engeln und Heiligen vermocht hatten, wollte er mit dem Schwarzen versuchen, und wenn es glückte, die Resi, dieses Bindeglied zwi¬ chen Himmel und Hölle, zur gefeierten Schankwirtin machen. Ein großes Plakat kündete an, daß der neue Wirt seine Gaststube an dem Tage eröffnen wollte, an dem in Keverloe der Jahrhunderte alte Ro߬ markt abgehalten werden sollle. „Nicht übel“, meinten die Wohlwollenden; denn der gewesene Waldfrieden lag auf der Landstraße etwa 50 Meter näher an Keferloe, als seine Konkurrenten. Tro߬ dem war ein Erfolg sehr fraglich; denn die G'scherten, die reichen Bauern, die mit vollen Beuteln auf ihren königlichen Gespannen heimrasten, die Roßhändler und Pferdemetzger würden sich schon auf dem Markt bis zur Grenze des Mög¬ lichen ihren Durst löschen und die Fahrt nicht unterbrechen, um beim völlig un¬ ekannten Taverl in dem bankrottenen Wirkshaus einzukehren. Und der Tag der Entscheidung kam. In Keferloe war es hoch zuge¬ gangen. Der hartnäckige Streit zwischen Geiz und Gewinnsucht, um Vorteil und Verlust, das laute Peitschenknallen, das Fluchen der Knechte und Viehtreiber, die gesalbten Worte der „Schmuser", die das Geschäft vermitteln, hatten die Köpfe heiß gemacht. Man war nicht zu kurz gekommen. Es war „keferloerisch g'straft“ wor¬ den und die Keferloer Maßkrüge, von denen man behauptet, sie seien ohne Deckel, weil sie sich in dieser Form zum Wurf besser eigneten, waren nach alt¬

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2