Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

56 Der Graue. Von Konrad Martin Laut. Das alte Patrizierhaus in der Vogelruf über die Dächer. Er hatte Rauhensteingasse zu Wien war am Abend Mühe, sich hören zu lassen; denn gleich des 4. Dezember 1791 wie mit Leichen¬ danach wurde er von den Fängen des tüchern verhängt. Unaufhörlich peitschte Sturmes gepackt und in die Ferne ge¬ der Regen die stattlichen Barockrahmen chleudert. Doch wieder und wieder im ersten Stock, die an sonnigen Tagen wehte der Glockenschlag durch den Abend. die enge Gasse sonst immer so heiter be¬ Beim siebenten näherte ein hurtiger lebten; und durch das weitgeöffnete TorSchritt sich dem schattenumspannten Haus zu ebener Erde fuhr der Wind in wilden in dem nur ein einziges Fenster spärlich Stößen, als müsse er aus dem schwarzen, erleuchtet war. Der späte Besucher tritt zwischen den Mauern gepreßten Loch geisterhaft leise durch die gähnende irgend ein tückisches Ungeheuer vertreiben. Pforte. Dann schob er den hageren Kein übermütiger Laut aus singfrohen Körper, während die Finger weitaus¬ Kehlen, kein heimwärtspolternder Fiaker, gespreizt sich vorwärts tasteten, den stock¬ ja nicht einmal das Gekläff einer der dunklen Gang entlang zur steilen Treppe vielen im Gäßchen hausenden Köter und knarrte mühsam die Stufen hinauf. wagten das Toben des Sturmes und Ein Flämmchen neben der obersten Win¬ die peitschenden Hiebe des Regens zu dung glimmte im letzten Erlöschen. Der unterbrechen. Wer hätte um diese Stunde Fremde hielt aufatmend still. „Parbleu, und bei solchem Wetter hier auch etwas ehr fürstlich wohnten die Mozarts nicht!“ uchen sollen? Das lustige Wien saß ja Das war ihm, als er im Sommer das beim Wein in den wohlig durchwärmten erstemal angeklopft hatte, gar nicht be¬ Schenken der Altstadt oder es ließ sich wußt geworden. Damals hatte die Juli¬ in Schikaneders Bretterbude auf der onne flimmernd die Glastür gestreichelt Wieden die neue Zauberoper vorspielen, und goldige Zickzackbänder über die die der kaiserliche und königliche Hof¬ Treppe gelegt. Jetzt aber wirkte alles kompositeur Wolfgang Amade Mozark so staubig und unaufgewaschen, als hälten zur Verwunderung der Donaustadt vor wochenlang weder Besen noch Tuch ihre wenigen Monaten erst fertig gestellt hatte Schuldigkeit getan. Wenn in den Gläsern der Grinzinger Die Glocke links an der Tür ver¬ perlte oder im Opernhaus das Glocken¬ langte Einlaß. Der Hagere reckte sich piel Papagenos sich in die Ohren teil empor und zog das seltsam durch¬ schmeichelte, ließ sich am schnellsten ver¬ kerbte Gesicht in harte Falten. Er wußte, gessen, daß der Kahlenberg droben imdie drinnen liebten ihn nicht. Wer möchte Norden wieder einmal seine schmutzig¬ auch immer wieder an ein Versprechen weiße Zipfelmütze aufgestülpt hatte und gemahnt sein, für das man einmal sich Wien in die muffigen Stuben mußte, hatte bezahlen lassen? Noch heute mußte statt die Abende unter den sommergrünen er seiner letzten Mahnung gedenken. Als Bäumen des Praters zu verschwärmen. wäre er ein leibhaftiges Gespenst und Vom nahen Stephansdom fuhr ein nicht der Beauftragte seines gnädigen erstickter Laut gleich einem angstvollen Herrn gewesen, so hatte Mozart ihn

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