Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

unten auf der Straße angestarrt und war dann nach scheuer Entschuldigung in seinen Wagen geklettert, der ihn nach Prag bringen sollte. Ob das Glück ihm diesmal günstig war? Die schnell dahingaloppierenden Er¬ innerungen wurden durch das Erscheinen einer jungen Frau unterbrochen. Beim Aufgehen der Tür gewahrte der nächtliche Gast in dem offen gebliebenen Zimmer hinter der Dame den Meister im Bett. Nur sein blasses, heute fast knabenhaftes kleines Gesicht war im Lichtkreis der Lampe zu erkennen; alles andere war unter Decken und Kissen vergraben: „Pardon, Madame, Maestro Mozart fühlen sich unwohl? Konstanze Mozart war beim An¬ blick des draußen Wartenden unwillkür¬ lich zurückgewichen. Da stand ja der spukhafte Mensch schon wieder. Vornehm korrekt, voll kühler Zurückhaltung, in seinem mausgrauen Kleid, über dem, des kalten Dezembers wegen, ein ebenso grauer Mantel in schweren Falten herab¬ hing. Was wollte er heute von ihnen Hatte er nicht gehört, was alle Welt wußte, daß Mozart totkrank darnieder¬ lag, daß er an jeder, daß er vor jeder, auch der geringsten Erregung bewahrt werden mußte? Oder war er tatsächlich kein Mensch aus Fleisch und Blut, son¬ dern ein geisternder Schatten aus einer anderen Welt, wie Wolterl so oft, bald fröhlich scherzend, bald schwermütig=düster. behauptet hatte? Dem Mann an der Tür war das Erschrecken der zierlichen Frau nicht ent¬ gangen. „Es tut mir leid, Madame, daß ich störe. Mein Auftraggeber verlang jedoch endlich in den Besitz der Toten¬ messe zu kommen, für die er, wie Ihnen bekannt, im Juli schon einen Vorschuf geleistet hat. Es ist wohl sein Recht... Konstanze hatte sich endlich gefaßt „Das Requiem ist im Entwurf vollendet. Nur in einzelnen Teilen bedarf es noch weiterer Ausarbeitung. Zweifeln Sic nicht, mein Herr, man wird Ihren Wunsch in Kürze erfüllen.“ 57 Der Graue zuckte verdrossen die Achseln. „So viel wir hören, hat Herr Kapellmeister Mozart die Arbeit fortge¬ etzt unterbrochen. Von der Krönungs¬ oper in Prag, dem Titus, will ich nicht reden. Die mußte auf allerhöchsten Befehl sozusagen von heute auf morgen fertig ein. Wie aber stehts mit der Zauber¬ löte? Sind die Dukaten des Herrn Schikaneder besser als unsere? Hätte das höchst vortreffliche Wiener Publikum nicht Zeit gehabt, bis ... „Er kam nicht weiter. Durch die noch offenstehende Zimmertüre drang Mozarts Stimme ver¬ nehmlich in das flüsternd geführte Ge¬ spräch: „Was gibts denn, Stanzerl? Ist das graue Gespenst schon da, um mich zu holen ...?“ Der Fremde horchte bei der ihm unverständlichen Frage auf. Was sollte das? Redete der Kranke im Fieber oder war es einer seiner berüchtigten Scherze, mit denen er zeitlebens sich biltere Feindschaften zugezogen hatte? „Madame, ich begreife nicht, was meint Ihr Gatte mit seinen Worten? Konstanze hob begütigend die Hand. „Nichts Böses, mein Herr. Seit Wochen wird er von schweren Träumen gequält die an seiner Gesundheit zehren. Nehmen Sie Rücksicht darauf!“ Und das Gespräch entschlossen abbrechend, fügte sie bittend hinzu! „Nicht wahr, Sie drängen heute nicht weiter? Unser Versprechen wegen des Requiems ist Ihnen sicher. Ihr Auf¬ (( traggeber soll mit Mozart zufrieden sein. Als der Besucher halb widerwillig halb durch das sanfte Wesen der selber leidenden Frau bezwungen im Dunkel des Treppenhauses verschwunden war trat Konstanze in das Zimmer zurück Da lag ihr Liebster schon wieder still und verträumt in den Kissen. Ein mattes Lächeln glitt um den blutleeren Mund und zeigte nichts mehr von dem jähen In Erlebnis der letzten Sekunden chmerzlicher Zärtlichkeit preßte sie ihren Lockenkopf an seine liebeglühende Stirn. Du lieber, himmlischer Vater, würde der So Anfall auch heute vorübergehen? die schnell war alles gekommen! Gewiß,

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