Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

das Gefühl gehabt, sein Haar sträube sich mit der Gewalt, daß auf ihren Spitzen ein Hut hätte balancieren können. Wir waren geschlagen. Jeder hatte mit¬ gezählt; mußte Brands Sieg zugeben. Drei Zettel bestätigten die Herrschaft seines Willens über die Maschinerie * des Stundenzeigers. Das zersprungene Punschglas war völlig vergessen. Nur noch ein Gedanke lebte: unerhört! un¬ faßbar! Nur langsam kam die allgemeine Unterhaltung wieder in Gang und dann hatten wir stundenlang reichlich zu tun, das seltsame Erlebnis zu besprechen. Bedämpften Tons wurde verhandelt über beseelte Materie, Plasma und Tele¬ plasma, tote und lebende Metalle im beson¬ deren, über Metapsyche im allgemeinen. Allmählich erhitzten sich die Ge¬ müter. Ein Hexentanz der Meinungen begann, raste bis Mitternacht und wiede¬ rum nach der Beglückwünschung. Da entfesselte der einzige schüchterne Versuch, von allgemeiner Selbsttäuschung zu reden, wahre Tobsuchtsanfälle. Die leise Stimme abtrünniger Ansicht wurde von der Ge¬ sellschaft zerpflückt wie ein Brotbröslein durch hungrige Fische. Der Himmel weiß zu welchen Zusammenstößen wir noch gelangt wären, wenn sich nicht Brand ins Mittel gelegt hätte. „Kinder“, rief er, „daß von irrtümlichem Zählen nicht die Rede sein kann, dafür will ich den unumstößlichen Beweis zu eurer drei¬ fachen Buchführung tun. Nur muß es erfahrene Menschen wie Euch reizen vorher noch einige Stunden allein über das Erlebnis in meinem Hause nachzu¬ denken. Den angebotenen Beweis, zu¬ 55 gleich die Quelle meiner Macht könnt Ihr morgen bei mir finden. Ihr seid Nachmittagskaffee eingeladen. zum Noch lange redeten wir in der Nacht von Gedankenübertragung weiter, selbst auf der Straße, und wahrscheinlich hätte jeder auch im Bette weitergegrübelt, doch der Punsch wirkte. Aber keiner ehlte anderen Tags beim Kaffee. Und da holte Brand einen Geschäftsbrief der las Uhrenhandlung Peter & Co. und der „Auf Ihr Geschätztes bezüglich bei uns gekauften Standuhr haben wir ergebenst zu erwidern: Sie haben mit Ihrer Reklamation recht. Die Fabrik gibt auf unsern Vorhalt den Fehler zu. Das Versehen erstreckt sich auf die hinter Zifferblatt angebrachte große Scheibe dem die sich nach Ablauf jeder Stunde dort dreht, während ein den Schlag aus¬ lösender Hebel auf ihren (verschieden langen) Einbuchtungen entlang läuft und o den Schlag ein bis zwölf Mal her¬ vorruft. Bei Ihrer Uhr, und allen des für gleichen Modells, ist die Einbuchtung die zehn Schläge infolge technischen Ver¬ ehens eine Idee zu lang geraten; daher Zu der elfte Schlag zu unrechter Zeit. verbessern ist schwer. Gelänge selbst die eine Aenderung an dem harten Metall, o würde die Uhr statt elf zwölf oder zwölf dreizehn schlagen. Um die Sache gütlich beizulegen, bieten wir Preis¬ nachlaß an und schlagen mündliche Er¬ ledigung vor. Er ist nicht nur ein gewandter Ge¬ schästsmann und anregender Gastgeber, sondern auch ein die gute Gelegenheit am Schopf packender Spaßvogel, unser Freund Taver Brand!

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