Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

34 zeuge auf. In 3000 Meter Höhe, wer weiß es? Schwarze Punkte in hellen Wolken. Punkte, die sich manchmal wenn das Flugzeug sich etwas senkt, zu einem Gedankenstrich verlängern. Fliegen können, wie der freie Vogel, das ist der Sehnsuchtsgedanke der Menschheit, der unzählige Opfer forderte und der heute in schwindelnder Höhe in den Himmel geschrieben wird . . . Jetzt sind sie über dem Flugplatz — sie scheinen tiefer zu liegen — hie und da blitzen schlanke, silbrige Libellenkörper auf, eine Atem¬ pause nur und dann sind sie wieder un¬ kenntlich, Punkte im Weltenall, uner¬ reichbar ferne Menschenschicksale. Im Zugspitzengebiet sind die Sta¬ fetten, etwa 200 Schiläufer, zur Beobach¬ tung und etwaigen Hilfeleistung aufge¬ stellt. Unmittelbar über dem Gipfe müssen die Flieger eine Kapsel zur Kon¬ trolle abwerfen. Ihre Visitenkarte an Ihro Majestät, die Beherrscherin der bayerischen Alpen. Vom Flugplatz aus kann man das Kreisen um die Zug¬ spitze beobachten. Es ist erreicht. Aus dem Kessel zwischen Wachsenstein und Alp¬ spitze erscheint ein Flugzeug nach dem anderen. Lichtsignale steigen als silberne Kugeln in die Luft. Papierballons wer¬ den losgelassen. Qualmender Rauch steigt aus der braunen Erde und mar¬ kiert den Landungsplatz. Die Spannung ist auf das höchste gestiegen. Alles hält den Atem an und dann brausender Jubel, die Musik setzt ein — das erste ein Flugzeug nähert sich der Erde Rasseln, Schnauben Schlagen von Pro¬ pellern, die Erde spritzt nach allen Seiten, es rollt auf zwei Rädern noch eine Strecke weiter und dann steht der Vogel. Jetzt folgt eine Landung der an¬ deren. 12 Flugzeuge sind glücklich wieder zurückgekommen; nur eines von den 13, die ausflogen, ist steckengeblieben und mußte auf der Zugspitze eine Notlandung vornehmen, bei der das Fleugzeug zer¬ trümmert wurde, der Führer abr unbe¬ schädigt blieb. Nun stehen die Flugzeuge, die sich am Wettbewerb beteiligt haben unddie ie begleitenden Junker=Limousinen wie dicke große Hummeln im Bergungspark; nur in den Flügeln scheint es leise noch zu singen und zu vibrieren. Wie leicht ind die Maschinen, wie einfach in der Konstruktion, ohne ein Gewirr von Drähten, gewissermaßen auf die Urformen zurückgeführt. Vorn der dicke Kopf mit dem Motor und den schlagenden Pro¬ pellern, dann die schmalen, schnittigen Flügel und dahinter der langhingestreckte Körper einer Amphibie. So sind auch die Junkers gebaut, nur ganz aus Me¬ tall, aus einem Aluminium, das gegen alle Temperaturunterschiede unempfindlich bleibt. Das Heer der Photographen ist zur Stelle. Filmoperateure lassen ihre Kurbeln laufen. Der Radio funkt die Nachrichten in alle Welt. Hier pulsiert das heiße, drängende Leben der Gegenwart, die fast schon Zukunft ist. Wie sellsam er¬ cheinen in diesem Bilde die zwei Ochsen, die auf einem Schlitten die Segelflug¬ zeuge ziehen, die auf dem Kogelberg tarten sollen — man staunk sie an wie vorweltliche Tiere, zu denen man keinerlei Beziehungen mehr hat. Der Segelflug¬ sport stellt an den Flieger die höchsten Anstrengungen. Kein Motor steht ihm zur Verfügung; der Wind muß ihn auf einen Fitlichen tragen und er muß stets mit äußerster Geschicklichkeit gegen diesen Wind zu steuern wissen und nie mit ihm liegen. Entzückend, gleich leichtbeschwing¬ ten Libellen sehen diese aus Leinwand hergestellten Flugzeuge aus, ohne jedes Geräusch schweben, fliegen, steigen sie durch die Luft und halten sich dort,so ang der Wind sie eben trägt. Die Sport¬ leistungen werden mit Musik und end¬ losem Jubel begrüßt. Eine große Be¬ geisterung hat sich der Zuschauer be¬ mächtigt, die sich in Bravorufen und Händeklatschen Luft macht. Aber noch einmal wird es unter den Tausenden till— alle Augen blicken wie hypnoti¬ iert nach dem Himmel — hat der Sensenmann nicht leise ein Zeichen ge¬ geben? Ein Fallschirmabsprung aus 600 Meter Höhe ist angesagt. Die Nerven

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