Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1926

35 vorüber; der Fallschirmspringer ist glück¬ sind zum Zerreißen gespannt. Jetzt ist lich am Bahndamm gelandet. es, als löse sich ein schwarzer Punkt Langsam verzieht sich die Menge, vom Flugzeug — ein Bruchteil einer die an den folgenden Tagen noch neue Sekunde wird er größer — die Luft flugtechnische Leistungen bestaunen wird. hat sich in dem schützenden Schirm ver¬ Der Eindruck dieser hohen Stunden wird fangen, wie eine Glocke hängt er über sich nicht verwischen lassen. Er wird, Mut dem Akom, das ein Mensch ist! Langsam und Vertrauen spendend, in den Herzen steigen sie herunter, Mensch und Schirm weiterklingen, auch wenn die Menschen werden größer und sichtbarer — noch zu Tal gezogen sind und der Alltag sie einmal setzt das Herz um einige Schläge aus, als sie den Hochleitungsdrähten wieder in seinen Schranken gefangen hält. nahe kommen — dann ist die Gefahr H. S. Das Ende der Liebe in Rußland. Die gegenwärtigen Umwälzungen. Liebesgedichteschreiben und Ständchen¬ geben ist in Rußland ausgestorben. Die die durch die Sowjetregierung in Ru߬ Jugend, besonders die Studenten und land hervorgerufen worden sind, haben auch zu einschneidenden Wandlungen Arbeiter, kehren sich bewußt von der „Verliebtheit“ ab und erklären, daß die in der ganzen Lebensauffassung geführt und besonders auf dem Gebiete des Liebe nicht so wichtig sei, wie man früher Verhältnisses der Geschlechter Formengemeint habe, sondern daß sie von ziel¬ bewußten und arbeitsamen Menschen entstehen lassen, die sich von den west¬ als nebensächlich betrachtet werden müsse. europäischen stark unterscheiden. In der Eine nüchterne und offene Sprache wird „Zeitschrift für Politik“ macht ein ge¬ zwischen den Geschlechtern geführt, aber nauer Kenner, der Moskauer Gelehrte ohne Derbheit. Der junge Mann macht Dr. Pawel Telegin, über diese „Aus¬ dem Mädchen, das er zur Frau begehrt, sichten neuer Lebensgestaltungen“ hoch¬ keine schwungvolle Liebeserklärung, son¬ interessante Mitteilungen. Vor allem kon¬ dern er fragt etwa: „Was wäre denn, statiert er, daß die Liebe im alten Sinne 04 wenn Kinder kommen? „Ich bemerke“ wie sie von den westeuropäischen Dich¬ tern geschildert wird, aus Sowjetrußland chreibt Telegin, „daß Hunderke von Fällen dieser Art in der Moskauer verschwunden ist. „Dieses Symptom“ Jugend mir bekannt sind; demgegenüber schreibt er, „ist eine sehr ernste Erschei¬ konnte ich keinen einzigen Fall notieren, nung und ein Fingerzeig für die Ent¬ wo das romantische Schwärmen noch wicklungstendenz des Geschlechtslebens eine Bedeutung hatte. Auch von der nicht nur in Sowjetrußland, sondern „freien Liebe“ will man in Rußland auch in Westeuropa. Ebenso wie auf nichts mehr wissen. Die kommunistischen den Straßen Moskaus jemand, der im Versuche, die in dieser Hinsicht gemacht Zylinder und Frack herumläuft, eine un¬ wurden, haben zu den schlimmsten Er¬ mögliche Erscheinung sein würde, eine fahrungen geführt. „In der ganzen rus¬ Faschingsfigur, ebenso wird die Ver¬ sischen Jugend“ erklärt der Verfasser, liebtheit in dem überschwenglich=senti¬ „die, der Heiligkeit dieser Idee trauend, mentalen Sinn, wie sie noch in den einige Jahre der revolutionären Zeit deutschen Kleinstädten lebt, in Rußland unter der Parole der freien Liebe ver¬ als eine Krankheit angesehen. Das

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