Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1925

„Ich nehme an, sie ist die Frau Frau Berger“. seines Freundes „Doch er würde sie nicht einfach Ires nennen“ widersprach ich. „Nebenbei erinnere ich mich, daß er mir sagte, sein Freund sei Junggeselle „Vielleicht finden wir eine Erklärung, wenn du weiterliest“, schlug sie schüchtern Ihre Stimme bewies deutlich, daß vor. sie unruhig wurde. Ich las also weiter. „Wir verlebten göttliche Tage. Viele Märsche und einen ganzen Haufen köst¬ licher Waldluft. Jeßt haben wir ein Boo gemietet und machen noch eine Wasser¬ partie, ein Zelt haben wir auch. Berger ist ein wenig verstimmt wegen Ires. Er meint, sie wäre ständig im Wege, und flucht mitunter leise, daß ich sie mitge¬ nommen habe. Doch sie kocht ausgezeich¬ net, und ich wüßte wirklich nicht, wie wir ohne sie fertig geworden wären, sie ist so außergewöhnlich praktisch. Weil sie mir gehört, sorge ich fast ausschlie߬ lich für sie. Ich fühlte, wie mein Blut kochte Zu denken, daß ein Mann, dem ich bei¬ nahe mein unschuldiges Leben gegeben hätte, durch das Land zog mit einem Weibsbild, das auch noch den abscheu¬ lichen Namen Ires hatte! Es war zu viel für mich. Ich brach völlig zusammen. „Ruhig! — Ruhig!“ beschwichtigte Frau Walden. „Ich hoffe doch, daß es nichts Ernstes ist. Eine vorübergehende Laune, die bald wieder verfliegen wird. Junge Leute sind einmal junge Leute Du mußt dich nicht so sehr darüber erregen, Helene“ „Auch noch so etwas schwarz au weiß zu schreiben. So ein Skandal! Eine solche Blamage! Was werden meine Freundinnen sagen“ „Nun, Kind, er konnte natürlich nicht ahnen, daß du diesen Brief lesen würdest. Wenn ich gewußt hätte Doch ich unterbrach sie. Ich platzte mit der Erzählung unseres Zankes her¬ aus und schloß schließlich mit der Fest¬ stellung, daß nun alles zwischen uns für immer vorbei sein mußte. 11 ist, und ich bedauere „Wenn das so sie es so ist“, sagte natürlich sehr, daß „dann — dann ist mit einem Seufzer, diese neue Neigung nicht so ganz uner¬ klärlich. Weißt du, wenn ein Mann in Liebessachen große Enttäuschung erlebt, dann gerät er leicht auf Abwege bei der Suche nach einem Trostmittel“. Sie er¬ laubte sich eine gedankenvolle Pause, dann meinte sie: „Ich hoffe, diese Ires ist ein nettes Mädchen“. Ich verstehe wohl, daß es für eine alte Frau natürlich ist, wenn sie für ihren Sohn einsteht. Sie war ihrem Max er¬ geben und glaubte nicht, daß er zu irgend einem Unrecht fähig sein könnte. „Weine nicht, liebe Helene“, fuhr sie ort. „Wenn du erst in meine Jahre ge¬ kommen bist, wirst du verstehen, wie wertlos es ist, sich über Dinge aufzuregen, die die Welt doch nicht aus den Angeln heben. Nebenbei glaubt Max jetzt, daß er ein Recht hat, seine Liebe auf eine andere Person zu übertragen. Du kannst ihm eigentlich nicht gut Vorwürfe machen. Doch ich bin kaum 21 Jahre, und die ganze Sache ist gewiß keine Kleinig¬ keit. Es war eine ungeheure Krisis in meinen Leben. Ich fühle alle die ent¬ setzlichen Folgen, die sie mit sich bringen mußte, und doch hatte ich, wie Frau Walden ganz richtig bemerkt hatte, Max eine Freiheit wiederzugeben. Ich nahm daher meinen ganzen Skolz zusammen und bemühte mich, nicht zum Aus¬ tellungsobjekte zu werden. Frau Walden nahm den Brief und hielt ihn mir wieder hin. „Jetzt“, fuhr sie fort, „weißt du das Schlimmste. Vielleicht liest du weiter, ob noch mehr von Ires in dem Briefe steht. Wenn sie nun doch einmal meine Schwie¬ gertochter werden soll, möchte ich auch gerne alles von ihr wissen, ob Gutes oder Schlechtes“ Ich glaubte nicht, daß irgend etwas Gutes in dem Briefe stehen konnte, las aber trotzdem weiter. Der Brief handelte nur von diesem Geschöpf. Wanches konnte ich nicht ganz verstehen, wie z. B., sie hätte die schlechte Angewohnheit, oft

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