Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

den beiden jungen Leuten etwas aufkeimte, was man mit Verliebtsein bezeichnet und war mit dem Gedanken ihrer Nichte ganz einverstanden, denn diese hatte nämlich die ewig streitbare Eusebia irgendwie auszu¬ zahlen und ihr so den losen Mund zu stopfen. Der junge Ratsherr fand, wie alles, recht, was Jungfer Hedwig recht war und griff diesen Gedanken seiner verehrten Herzensdame sogleich auf, ging heim, holte soviel blanke Wienergulden, als der Lohn der Eusebia betrug, hinterlegte das Geld beim Stadtrichter, welcher die Eusebia sich vorrufen ließ, ihr einen strengen Vorhalt machte, wie sie sich gegen ihre Frau in gefährlicher Drohung und Erpressung ver¬ gangen, auch sich in der Angelegenheit mit dem falschen Wienergulden höchst unge¬ bührlich benommen hat und er sie daher strenge zu bestrafen hätte. Die Sache mit dem falschen Gelde fiele über Bitten der Jungfer Hedwig aus, die keine regelrechte Anzeige davon gemacht hatte, im übrigen habe aber das Gericht die ruheliebende Einwohnerschaft der ehrsamen Stadt Steyr von der streitlustigen Maid zu bewahren. Die Eusebia habe daher unter Aufsicht nach Hause zu gehen, dort ihre sieben Sachen raschest zu packen, auf sich zu nehmen und dem Stadtschergen zum Gleinkertor zu folgen, allwo ihr dieser ihren dreijährigen Lohn ausfolgen werde Dann könne sie die Enns abwärts in ihre Heimat wandern und dort ruhigere Ansichten über das Benehmen ihrer Mitmenschen ge¬ genüber sich aneignen, in Stadt Steyr solle sie sich aber nicht mehr blicken lassen, falls sie nicht gestäupt und einige Wochen in die Frohnfeste sitzend gemacht werden wollte. Die streitbare Eusebia erkannte den für sie so sgroßen Ernst der Lage, warf trotzig den Kopf hoch und sagte nur mit verbissenem Grimm: „Also, das ist der Lohn für meine — gut ists! treuen Dienste Dann folgte sie dem städtischen Schutz¬ mann — es war der rote Hans — nach Hause, packte ihre wenigen Sachen rasch ein und ohne ihre Herrenleute auch nur eines Blickes zu würdigen, ging sie mit 75 ihrem unfreiwillig ihr beigestellten Begleiter hinauf zum Gleinkertor. Draußen vor dem Tore zählte ihr der Mann der städtischen Wache den Lohn für drei Jahre Stück für Stück langsam auf die Hand und fügte noch einige Patzen hinzu, welche der Ratsherr Wendelin, um der Eusebia den Abschied von der schönen Stadt Steyr nicht gar zu schwer zu machen, beigefügt hatte, zeigte mit dem Finger der aus¬ gestreckten Hand in der Richtung gegen Gleink und sagte drohend „Komm nur nimmer!“ „Ach wo“, knurrte die Eusebia das Geld in die Tasche schiebend, „zu so einem groben G'lump, das wär mir das richtige!, Und fort lief sie mehr als sie ging und verschwand bald zwischen den Bäumen der Straße, worauf der rote Hans durch das Tor herein schlenderte und im ersten Wirtshaus in der Gleinkergasse einfiel, um dort von der anstrengenden Amts¬ handlung sich zu erholen. Die spassige Frau Afra, welcher ihre Behauptung, daß die Tiere, welche sie der Pfändungungskommission vorgewiesen hatte, das Erbteil ihrer Tochter seitens ihres eligen Mannes wären, nicht widerlegt werden konnte, kam durch die Vermitt¬ lung des Burggrafen ziemlich gut aus dem Rummel, der durch ihre Geistes¬ gegenwart bei der Pfändung entstanden war, heraus, der Burggraf kaufte diese Tiere um ein hübsches Stück Geld für den Zwinger im Schloß und Frau Agathe erhielt doch ihr Erbteil, nicht in lebendiger, bissiger Ware, sondern in klingender Münze. Sie und ihr Mann hatten aber das Wanderleben schon vorher gründlich satt besonders aber nach den für sie durchaus nicht lustigen Auftritten mit Frau Afra und der streitbaren Eusebia, und der Burg¬ graf, den die jüngsten Ereignisse höchlichst belustigten, erbarmte sich des „fahrenden“ Bogenschießstandbesitzer=Ehepaares u. stellte den Emmerich wieder als Bogner im Schlosse an, wo das Ehepaar in friedlicher Bürgerarbeit wieder ein allseits geachtetes Leben führte, zumal Emmerichs Vater einem Sohne die Ehe mit der „fahrenden

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