Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

74 „Bitte, ihr Herren, bedient euch und nehmt das Erbe meiner Tochter: die Wölfe, die Bären, die Schlangen die Füchse gebe ich, weil ich das Erbe solange verhalten habe, als Zinsen darauf wollet nur von der Erbschaft Besitz er¬ greifen! „Wie, was, das ist ein schlechter Scherz“, schrieen die drei Männer entsetzt auf und wichen raschest zur Eingangstür zurück, da sie erwarteten, daß die Bestien ich aus den Käfigen heraus und sich auf sie stürzen würden und der dicke Vollzieher war so bleich wie der Gerichtsschreiber und dem roten Hans schien die Hellebarde mehr zur Last als zur Wehr zu sein, „solche Spässe verbieten wir uns“ und dabei traten sie sich gegenseitig auf die Zehen, weil jeder zugleich einen Fuß auf die Stufen setzen wollte, welche von der Ein¬ gangstüre in den Zwinger hineinführten. „Das ist kein schlechter Scherz und auch kein Spaß“, sagte Frau Afra, sich an der Angst der Kommission weidlich ergötzend, ließ es aber doch genug sein des grausamen Spiels und verschloßdie Käfige wieder, deren Insassen sich sehr friedlich und stille verhalten hatten, wahr¬ scheinlich waren sie es ungewohnt, um die Zeit in ihrer Ruhe gestört zu werden und ahnten Unheil, „also, bitte, verfügt über die Tiere, die hat mein Mann seiner Tochter hinterlassen, aber kein Geld und die Tiere bin ich daher als Erbteil der Tochter auszufolgen verpflichtet, so — Der rote Hans war während dieser Worte der Frau Afea schon aus dem Zwinger draußen, der Gerichtsschreiber drückte sich nach und der Vollzieher stotterte etwas vom „bei Gerichte melden" und „Strafe beantragen“ und eilte seinen beiden Freunden nach, die er bei der Pfarrkirche erwischte, wo sie sich sammelten und ge¬ schlossen zur Schranne hinab marschierten, froh, eines so entsetzlichen Todes, wie das zerissenwerden durch wilde Tiere, oder der Biß durch giftige Schlangen es ist eben noch entgangen zu sein, Frau Afra aber lachte, schüttelte sich vor Lachen, streichelte die jungen Bärlein und als ihr das eine Bärlein einen leichten Biß dabei versetzte, gab sie ihm eine sanften Schlag auf die Schnauze und sagte, noch immer lachend, verweisend: „Du grobes Erbteil, du!“ V. Die Stadt Steyrer und besonders die Marktleute lachten nicht schlecht über den lustigen Streich, den die listige Frau Afra der Pfändungskommission gespielt hatte, der Stadtrichter Erasmus war davon weniger erbaut, allein auch er fand, als ihm die Kommissionsmitglieder ihr Ent¬ etzen in den lebhaftesten Farben schilderten, das sie beim Anblicke der Bestien in den offenen Käfigen und ihre Hilflosigkeit derselben gegenüber schilderten, daß die Sache die Lacher auf Seite der Frau Afra gebracht hatte und lachte schließlich mit die Austragung der Angelegenheit verschob er jedoch auf die Zeit nach dem Jahr¬ markte, bis dorthin würden sich schon Mittel und Wege finden, der spaßigen Frau Afra Vernunft beizubringen, jetzt hatte der Stadtrichter einstweilen mit den Händeln der Marktleute und Marktbesucher genug zu tun und so war die Angelegen¬ heit, so wie die Leute zu sagen pflegten, vald „eingeschlafen“. Nur die Eusebia gab nicht Ruhe und benützte die verlorene Hoffnung auf das Erbe ihrer Frau neu¬ erlich mit Randalieren zu drohen und der ruhige Emmerich kam aus der Aufregung nicht heraus. Der Ratsherr Wendelin, der es nicht versäumte, ging er des morgens durch die „Enge“ auf den Markt hinein, im Laden der Jungfer Hedwig vorzusprechen, um nachzufragen, ob sie sich schon von dem „Schrecken erholt hatte, den ihr der Auftritt mit der streitbaren Eusebia ver¬ ursacht haben sollte, was die Jungfer überhaupt bestritt, einen solchen Schrecken dabei ausgestanden zu haben, hatte durch Frau Afra Zahlungsfreudigkeit neuen Grund zur Aussprache mit Jungfer Hedwig, deren Base, die behäbige Frau Holzerin es plötzlich für notwendig fand, diesen Aussprachen beizuwohnen, wie es sich für den guten Ruf der Jungfer Hedwig auch ziemte, denn sie merkte, daß da zwischen

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