Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1921

68 Erbteil von meiner Mutter, mach dem großen Herrn, die für uns so schwierige Sache nur recht dringlich klar und erklär', daß uns nur so zu helfen ist, daß wir das Geld rasch kriegen, das ist deine Sache, die meine wird sein, die Eusebia noch ein paar Tage hinzuhalten, also, steck dich in bessere Kleider und fort, jede Stunde später bedeutet Verlust und das Geschäft stockt, wenn die Leute erfahren was uns von der Eusebia und allen unseren Schulden droht — so jetzt habe ich gesprochen“! II. So tat denn Emmerich wie ihm ge¬ heißen, zog sein bestes „bürgerliches Gewand an und trottete langsam den Pfarrberg hinab, darüber nachgrübelnd, wie er dem gestrengen Herrn Stadtrichter eine Angelegenheit kurz und doch ver¬ ständlich vorbringen könnte, denn Herr Erasmus, der Stadtrichter, war von etwas wenig Geduld und hatte für den Einzelnen auch wenig Zeit übrig, gar während des Jahr¬ marktes. So schlenderte Emmerich, sich neugierig die Stände und deren Inhaber betrachtend, zwischen den Buden der Fleischer, Bäcker, der Landleute mit Lebensmitteln und denen verschiedener Handwerker durch deren gar manche einen flüchtigen Gruß mit ihm wechselten, denn alle diese Geschäfts leute waren Stadt Steyrer Ansäßige. Weiter drunten, nahe beim Rathaus, ver¬ kauften die zum Markte hereingekommenen fremden Kaufleute, welche während dieser Zeit frei an alle Marktbesucher verkaufen durften und da stand auch eine kleine Schankbude, wo Wein verzapft wurde. „Aha, dachte Emmerich, „wollen einen Schoppen trinken, treff' wohl einen Stadt Steyrer!) allda, der könnt mir recht brauchbare Winke für den Verkehr mit dem Stadtrichter geben“ So trat er über den Raum, welcher die Marktgasse bildete, hinüber und auf einige Männer zu, die vor dem Schank¬ tisch standen und sich trotz des frühen 1) Wein ausschenken, befonders zur Marktzeit, durfte nur der, welcher in Stadt Sterr ein Haus besaß, ein solcher durfte auch Handel treiben. Vormittags, den goldgelb blinkenden Wein trefflich munden ließen. „Ei, der Emmerich, der Bogner vom Schloß droben, Grüß Gott“! sagte ein Mann im Alter des Schießstandbesitzers „seh ich dich auch wieder? Was treibst du denn, seit du die Bognerei!) im Schloß droben aufgegeben hast und unter die „fahrenden" Leut' gegangen bist? Geht dir doch wohl“? Emmerich drückte des Fragers Rechte kräftig, dankte für die wohlwollende Frage grüßte die Umstehenden und bestellte sich einen Schoppen Wein. „Ist mir besser gegangen als ich noch im Schloß droben diente“, sagte er, nachdem er den Frager zugetrunken hatte, „bereue die Heirat nicht und nicht den Wechsel im Erwerb, allein „Allein es gibt so Augenblicke im Leben, wo es nicht klappen will, wie“? lachte der Frager, „seh dirs an, so mach es, daß es wieder stimmt — wie wir noch zusammen im Schloß droben dienten haben wir alle Unstimmigkeiten rasch be¬ eitigt, wirst das wohl auch noch treffen, Emmerich“. „Ja, wenn ich im Steyrdorf drüben Hausbesitzer und Nagelschmied wär, Freund Wendelin und dazu noch ein angesehener Ge¬ nannter?) wie du, und dein Geld hätte, wär keine Not bei mir“, erklärte Emmerich und sah den Freund vielsagend an bei einen Worten. „So, so“, sagte der Bürger Wendelin bedächtig, „also es happert wo bei dir, wenn ich dir als Genannter der landes¬ fürstlichen Stadt Steyr mit einem Rate dienen kann, so tu ichs gern, rede“ Er trat hinter den Schanktisch in die Hütte hinein und Emmerich folgte ihm. Dort setzten sich beide auf die einzige Holzbank, die im Raume war, der Wirt stellte ihnen die Weinkrüge auf den Tisch und während er wieder die vor dem 1) Bogner, der Bogenmacher, auch oft für Bogen¬ schütze gebraucht. Fünfzig von den Bürgern gewählte Ratsherren, so geheißen, weil sie nach der Wahl öffentlich genannt wurden, bekannt gemacht. Sie wurden beeidet und in Angelegenheiten des Landesfürsten und der Stadt zu Rate gezogen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2