Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

190 augenblicklich gab, kehrten die Herren ihre Waffen gegen Bürger und Bauern des eigenen Landes, d. h. sie wurden Raubritter. So ein milder, fröhlicher und leut¬ seliger Herr nun auch Albrecht III. war, so hoch war auch sein Gerechtigkeits¬ sinn entwickelt und Arme wie Reiche hatten gleichmäßig Zutritt zu ihm. Er hörte alle Klagen an und sprach jedem ein gerechtes Urteil, und Adel, Würden, und Ansehen schützten bei ihm den Schul¬ digen nicht. Daher trat er auch dem Raubritter¬ unwesen alsbald entgegen, seiner fried¬ liebenden Natur gemäß zuerst mahnend und warnend. Darob lachten sich die Ritter, die auf ihren Burgen sich sicher wähnten, in die Faust und trieben es wüster als zuvor. Zu den ärgsten Buschkleppern jener Zeit gehörten in Oberösterreich die Rohrer, ganz besonders Wilhelm, der älteste der sechs Brüder und der wildeste, unterstützt von seinen Brüdern Matthäus und Andreas. Wolfgang, der eben jetzt sinnend ins schöne Steyrtal hinausblickte, war etwas milderer Weltanschauung zugäng¬ lich und nicht ganz mit dem Treiben seiner Brüder einverstanden,") die von der Burg Leonstein aus, die damals für uneinnehmbar galt, ihre Raubzüge unternahmen und diese bis tief nach Niederösterreich hinein ausdehnten. Am eichenen Tische in der Mitte des Saales saßen zwei Herren in ritter¬ licher Kleidung vor dem vollen Hum¬ pen, dem sie wacker zusprachen. Auf den ersten Blick erkannte man, daß es Verwandte des am Fenster stehenden Ritters Wolfgang sein mußten und so war es in der Tat, denn die beiden fröhlichen Zecher waren Matthäus und Andreas von Rohr. Ihr derbes, rauheres Aeußere verriet *) Die zwei jüngsten Brüder Rohrer, Christian und Albero, waren zur Zeit, als diese Geschichte sich abspielte noch unmündig, wenigstens ist das so zu deuten, wenn es in einer Urkunde jener Zeit von ihnen heißt, „sie hätten noch keine Insigel. jedoch, daß sie mit dem sanfteren Wolf¬ gang nicht immer eines Sinnes sein konnten und tatsächlich waren die drei eben früher etwas hart aneinanderge¬ raten, da Wolfgang über das Tun und Treiben seiner drei Brüder sich nicht allzusanft ausgelassen hatte. Matthäus und Andreas hatten roh und spöttisch geantwortet, bis sich end¬ lich Wolfgang unwillig erhoben hatte und an das Fenster getreten war. „Hei, wenn Wilhelm der Fang heut' gelingt, dann sind wir aus dem Wasser“ sagte Ritter Matthäus und stellte den Humpen nach einem tiefen Zug auf den Tisch. „Die Salzburger sollen zahlen dafür können wir Reisige werben gegen den hochmütigen Herzog.“ Andreas von Rohr nickte und strich den buschigen Schnurbart. „Ist nicht mehr hochmütig, der Herr Herzog, sondern auch unklug,“ entgeg¬ nete er und trommelte mit den Fingern am Tisch. „Will uns zu Mönchen machen Teufel! Eine Ritterburg ist kein Klo¬ ster und der Herr Herzog doch nur der erste der Adeligen! Wo nur Wil¬ helm bleibt? Hat doch nicht Pech gehabt und ist am Ende in den Händen von des Herzogs Schergen geblieben drinnen in Steyr —?“ „Gottes Blut, das wagt Herzog Al¬ brecht denn doch nicht, einen Ritter ge¬ fangen zu setzen“ fuhr Matthäus von Rohr auf. „Ein Ritter ist kein Unter¬ tan, wie Gevatter Schneider und Schuster es sind —“ „Hm, da seid ihr denn doch noch etwas im Irrtum, meine Lieben,“ unterbrach hier Herr Wolfgang seinen Bruder, dem der Wein schon etwas zu Kopfe gestiegen war und lehnt sich mit dem Rücken an das Fensterbrett, „man mag die Sache drehen und wenden, wie man will, der Herzog ist schließlich doch der Herr im Land, und Herzog Albrecht hat es, wie mir däucht, schon einigemal erwiesen, daß er's nicht duldet, daß jeder sich neben ihm zum Herrn selber macht!“

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