Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

168 Vater Bycüllas dieser zum Gemahle be¬ stimmt. Er war die Schlange in ihrem Paradiese. So gingen Wochen dahin, erst über¬ glückliche, dann wieder traurige. Der ewig lodernde Feuerbrand der Tropen hatte mit der schädlichen Sumpfluft der feuchten Niederung die Fieberkeime in den erst so gesunden Körper Fritzens ge¬ senkt, der häufige notgedrungene Auf¬ enthalt unter den kühlenden, aber über¬ aus zugigen Pankahs (Windfächern) sei¬ ne Gesundheit noch mehr zerwühlt und die verzehrende Liebe zu dem Parsi¬ mädchen mit all den Herzensstürmen und Aufregungen ihn vom Innern heraus zermürbt. Die Aerzte drangen ernstlich auf Rück¬ kehr nach Europa. Als er dies Bycülla mitteilte, flog sie leidenschaftlich an sei¬ nen Hals und beschwor ihn, sie mitzu¬ nehmen. Hier war ihres Bleibens nicht mehr, sie mußte Pakus Weib werden, den sie haßte, Fritz aber, dem ihre Liebe galt, war ein Christ sie als Parsi eine Heidin, eine Feueranbeterin jede Verbindung in Bombay galt als ausgeschlossen. Deshalb wollte sie mit Fritz in dessen deutsche Heimat fliehen, zu seiner alten Mutter, dort eine Chri¬ stin werden und ihm dann angehören fürs ganze Leben. So ward es unter ihnen ausgemacht und in der nächstfolgenden Nacht woll¬ ten sie sich in dem berühmten nach Mahin führenden tiefschattigen Palmenwege treffen und von dort den Hafen ge¬ winnen, wo ein dazu bestelltes Boot sie auf den frühmorgens nach Europa ab¬ gehenden Dampfer bringen sollte. Die Nacht war gekommen. Auf dem Meere hatte sich ein Sturm erhoben und die Blitze leuchteten selbst in diesen dunklen Gang, der durch die riesigen Baumstämme der Sago=Dattel= und Bettelnußpalmen, die ihre Blätter hier wie Fächer über den Weg breiten, zu einem grünen, jetzt in Finsternis ge¬ tauchten Stollen wurde. Von dem hoch über die Stadt ragen¬ den Glockenturme der Universitätsbiblio¬ thek schlug es zehn Uhr. Da betrat Fritz den Palmenweg. Plötzlich glaubte er ein Geräusch zu hören und beim raschen Umschauen ein Paar Schatten zu sehen, die jedoch sofort verschwanden. Es moch¬ te wohl eine Sinnestäuschung gewesen sein. Nun brauchte er nicht lange auf Bycülla zu warten. Schon lag sie an seinem Herzen. „Nur fort, rasch fort,“ drängte sie Fritz in banger Ahnung mit sich fort¬ ziehend. „Du bleibst“! ertönte plötzlich eine tiefe Stimme aus dem Gebüsche und Pa¬ ku stand vor ihnen. Ein Blitz erleuch¬ tete die Szene. „Du aber stirbst“ don¬ nerte der Parsi, sprang auf den Neben¬ buhler zu und erhob seinen Krys, die furchtbare, meist vergiftete Waffe der Indier. Mit einem Aufschrei hatte Bycülla sich rasch vor ihren Geliebten geworfen, um ihn zu schützen. So traf sie der Stoß, der Stahl bohrte sich in ihre Brust, mit einem Wehlaut sank sie nieder. „Mörder“, rief Fritz in Schmerz und Wut, warf sich auf Paku, faßte ihn an der Gurgel und hätte ihn erwürgt Da traf ein tödlicher Streich sein Haupt von rückwärts, zwei durch Paku gedungene Hindu waren heran gesprun¬ gen, um diesem zu helfen. Fritz stürtzte lautlos zusammen. Es war zwei Tage darauf. Von der äußersten nördlichen Landzunge nächst „Walkeschwur“, dem „heiligen Dorfe“ der Hindu, dämmerten die mohame¬ danischen Wallfahrtsgräber „Worli“ in düsterer Grabes=Melancholie herüber, ein tiefernster Totengruß ins lärmende Le¬ ben der Eingeborenenstadt, ein düsteres Symbol der ewigen Nacht im blendenden Strahle des ewigen indischen Sonnen¬ tages. Und dort — im Friedhofe der Chri¬ sten, rings um den blumenbekränzten, von herrlichen Palmen und Banamen

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