Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1917

146 kamen die ersten zwei Jesuitenpriester an, welche auch sofort den Gottesdienst (Messen, Predigten und Litaneien) ver¬ richteten, der auch, wie vorauszusehen war, vom Volke zahlreich besucht wird. Am 29. Mai kamen die Ingenieure mit der Eisenbahntrassierung bis Steyr und am 30. und 31. wurde der Bahnhof auf der Ennsleiten ausge¬ steckt; der erste Uebergang über die Enns ist in Lahrndorf beantragt. Am 9. Juni bekam die lange Wehre oberhalb der Mühle zwischen den Brücken in der Nähe des kleineren Brückenjoches ein anfangs nur unbedeu¬ tendes Loch, welches sich aber durch die Vernachlässigung bald vergrößerte so daß ein eingetretenes Hochwasser am 11. einen großen Teil der Wehre wegriß, dann die gewaltige Strömung das Fundament des Brückenpfeilers derart untergrub, daß am 12. über ein Drittel desselben einstürtzte und dann das darüber befindliche Brückenspannwerk eiligst durch ein hölzernes Notjoch unter¬ stützt werden mußte. Da nun nach dem Ablaufe des Hochwassers nebst den Wasserwerken des Sägemüllers Anton Heindl auch das städtische Wasserkunst¬ werk trocken lag und die Stadtkommune vertragsmäßig ein Drittel der Wehrbau kosten treffen, der Müller aber zum Wiederbaue der Wehre gar keine An¬ stalten traf, so blieb natürlich der Stadt¬ kommune, um dem Stadtbrunnen bald wieder Wasser zu verschaffen, nichts an deres übrig, als den Wehrbau selbst in die Hand zu nehmen, welchen sie durch den berühmt. Zimmermeister, Maschinen und Wasserwerksbauer Josef Huber aus¬ führen ließ. Dieser ganze Wehrbau hat 7265 fl. gekostet, wovon auf die Stadt¬ kassa 2421 fl. entfielen. Die Wiederher¬ stellung des steinernen Joches blieb einer späteren Zeit vorbehalten. Unser Bürgermeister Dr. Jakob Kom¬ paß hatte sich bei der am 21. u. 22. April mit der Eisenbahntrassierungs¬ hofkommission nach Steiermark im ohne¬ hin krippkranken Zustande unternommene Reise derart verkühlt, daß bald ein Lungenerzultat entstand, an welchem er am Freitag den 14. Juli hier in seinem von ihm erbauten Hause Nr. 160, außer der Stadtpfarrkirche, starb, so daß er von der bei ihm seit Jahren zur firen Idee gewordenen Eisenbahn nicht einmal mehr die Trassierungsstangen zu sehen bekam und eben diesem rastlosen Streben nach der Verwirklichung seiner Idee hatte er endlich auch sogar sein Leben aufge¬ opfert. Denn wenn auch sein Projekt erst anfangs des Jahres 1864 durch den Bei¬ tritt des hiesigen Gemeinderates, die Intervention des städt. Sekretärs G. Aichinger und dem durch den hiesigen Eisenhändler Franz Weikhoff junior be¬ wirkten Anschluß der Klagenfurter= und Triesterhandelskammern wirkliches Leben erhielt, so war doch jedenfalls Dr. Kom¬ paß der eigentliche Schöpfer desselben. Am 17. konduzierte der Abt Augustin Reslhuber von Kremsmünster das feier¬ liche Begräbnis. In diesem Monate (Juli) wurden die im 17. Jahrhundert auf der West¬ seite der Stadtpfarrkirche unter¬ halb der Fenster errichteten 3 Kapel¬ lenanbaue, wodurch die hohen Fen¬ ster bis zur Hälfte hinauf vermauert waren, auf Kosten des Weißwarenhänd¬ lers und Kirchenvaters Franz Stadler abgebrochen, auch die alten an den Säu len gehängten, gemalten Kreuzbilder weggeräumt und dann von dem Bild¬ hauer Untersberger in Gmunden neue Kreuzbilder in Basreliefarbeit, 3 neue gothische Seitenaltäre im rechtseitigen und 1 solcher im linken Seitengange auf¬ gestellt und noch mehrere andere Geräte im gothischen Stile angeschafft. Am 27. Juli wurde endlich, nach¬ dem die Rekurse der Kohlkommunität wegen ihres Eigentumsrechtes auf dem Kohlanger überall abgewiesen worden waren, die Baukommussion zur Gasfabrik abgehalten und wurde sich endlich dahin verglichen, daß sich die Gasfabrik mit der oberen Hälfte des Kohlangers begnügte.

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