Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

36 Es war wie ausgestorben in denselben Wind, Kälte und die für die da¬ malige Zeit späte Abendstunde brachten das mit sich. Nur hie und da tauchte eine La¬ terne auf, die ein vorsorglicher Bür¬ ger trug; die meisten derselben erloschen beim „Ochsen“, woraus man schließen konnte, daß ihre Träger dort eingetre¬ ten seien. Und es war auch so. In der großen Gaststube dieses altbekann¬ ten Gasthofes ging es noch gar leb¬ haft zu. Es mochten gegen vierzig Gäste an¬ wesend sein, die allen Ständen ange¬ hörten, aber ganz merkwürdig freund¬ lich miteinander verkehrten. Der Wirt und seine Tochter gingen ab und zu, — sie hatten vollauf zu tun, die Gäste zu bedienen. Beim großen Kachelofen saßen, ziem¬ lich im Halbdunkel, zwei Gäste anschei¬ nend eifrig im Gespräche. Der eine trug die Kleidung eines Bürgers. Er war ein Mann in vorge¬ rückten Jahren, mit etwas wüstem Ge¬ ichtsausdruck, dessen Augen listig in der Stube herumblickten. Sein Gefährte war ein noch junger Kriegsknecht, der am Wamms das Wap¬ pen des Burggrafen von Steyr trug. Die Blechhaube lag vor ihm am Tische neben dem gewaltigen Humpen, dem übrigens beide eifrig zusprachen. „Hört,“ sagte der Kriegsknecht zu dem Bürger, „ich will verdammt sein, wenn diese Leute hier, die so ruhig ihren Wein trinken, keine ehrlichen Kerls sind! Was ihr nur von ihnen wollt? Es ist doch Sünde, einen ehrsamen Kriegsknecht, eurer Laune halber, heute von seinen lustigen Kameraden wegzu¬ holen und hieher zu setzen unterso ruhige Bürger!“ „Wie ihr doch so weise und bestimmt sprecht, Herr Bruno,“ entgegnete der an¬ dere höhnisch im halblauten Tone. „Was versteht ihr von diesen Dingen? Euch hat man nur zu meinem Schutze hie¬ hergesandt!“ „Ich weiß, ich weiß,“ unterbrach ihn Bruno unwirsch, „ihr seht, daß ich hier bin, obwohl ich euch offen sagen muß, daß ich mir keine besondere Ehre aus diesem Dienst mache — spionieren ist nicht meine Sache.“ „Ihr redet eben, wie ihr's ver¬ steht,“ sagte der Bürger, den Hieb ver¬ windend, schoß aber einen giftigen Blick auf seinen jungen Begleiter. „Seht doch einmal diese „ehrlichen“ Leute da an den Tischen an. Wie sie wispeln und die Köpfe zusammenstecken, und wie eines nach dem andern dort durch die kleine Tür verschwindet, um nicht mehr zu¬ rückzukehren. Wenn die nur hier sitzen, um Wein zu trinken, will ich blind sein. Da seht nur — dort geht soeben Hinz, der Ennser Fischer, — schleicht er doch wie die Katze um den Brei —“ Der Soldat sah auch wirklich, wie sich ein starker, kräftiger Mann von einem der Tische erhob, auf Herrn Peter zutrat, mit ihm einige Worte wechselte und dann ebenfalls rückwärts durch das Türchen ging. „Den will ich mir merken,“ mur¬ melte Hannes Adelwanger, der so scharf beobachtende Bürger, „der ist mir sicher“. „Und für wen haltet ihr denn die Sippe eigentlich?“ frug Bruno, nun doch etwas neugierig, „die sollen sich gegen unseren gnädigsten Herrn, den Herzog Albrecht wohl verschwören?“ „Ein Soldat kennt nur eine Ver¬ schwörung gegen den Landesfürsten,“ entgegnete Hannes Adelwanger von oben herab. „Als ob es nicht andere Dinge gäbe, die ebenso gefährlich sind. Diese Leute sind irrgläubige Ketzer, die Kirche und Papst verleugnen.“ Bruno schüttelte ernst den Kopf. „Und was sollten die wohl damit erlangen wollen?“ frug er. Der andere zuckte die Achsel. „Das wird seinerzeit der Blut= und Bannrichter zu beurteilen haben,“ ent¬ gegnete er gleichmütig. „Das ist nicht mneine Sache. Aber es geht eine son¬ derbare Bewegung durch die Gaue

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