Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1916

von Weyer über Waidhofen nach Am¬ stetten, wo das Terrain günstiger als nach Steyr heraus ist, die Vermessun¬ gen gepflogen worden. Unsere Stadt¬ gemeindevorstehung hat bei dieser Le¬ bensfrage der Stadt das Verdienst daß sie sich um diese Ingenieure, als nicht sie hier arbeiteten, ganz und gar bekümmerte. Würde die Eisenbahn über Waidhofen geführt, oder wird auch nur St. die, von Weyer über Neustift nach ge¬ Peter beantragte Straße wirklich mit macht, so ist dann unser Verkehr den Gebirgstälern an der Enns und damit auch unser Wochenmarkt ver¬ nichtet. In der letzten Oktoberwoche wurden hier die Stangen und Mauerhacken zur Telegraphenleitung, welche von Linz über St. Peter nach Steyr ge¬ führt wird, aufgemacht, und der Tele¬ graphenbeamte Schlechta hat seine un¬ entgeltliche Wohnung und sein Bureau, letzteres zu ebener Erde im städtischen Erzölestinergebäude, bereits angesehen und passend gefunden. Sehr interessant war in diesem Mo¬ nate, wo der Eintritt der neuen Geldwährung nach dem Dezimal¬ system vor der Türe ist, das plötzliche Wiedererscheinen der, seit 1848 über¬ all ängstlich vergraben gewesenen und zum großen Teile im Auslande herum¬ vagierten Silbermünzen. Ganze Säcke voll Zwanziger, wovon seit 10 Jahren kein Stück im Umlauf zu sehen war und höchstens als Rarität um 22 bis 26 kr. K.=M. verkauft werden konnte, werden von ihren bisherigen Hütern ganz verzagt herumgetragen und überall, so¬ gar um 14—18 kr. K.=M. vergeblich zur Verwechslung gegen die bisher so ver¬ achtet gewesenen Banknoten angeboten O Volk! Wie unmündig bist du! Nachdem die Verwirrung im Geld¬ wesen schon in den letzten Oktobertagen einen hohen Grad erreicht hatte, stieg selbe am 1. November, wo alle Rech¬ nungen sowie alle Zahlungen und Käufe in Verkaufsgewölben, Wirtshäusern und 3 auf dem Markte nach der neuen öster¬ reichischen Währung geschlossen wer¬ den sollten, aber keine solche vorhan¬ den war, auf den höchsten Grad. Wenn schon die Einführung des Dezi¬ malsystems als eine großartige und all¬ gemein wünschenswerte Maßregel alle Anerkennung verdient, so war doch die Art des Ueberganges in dieselbe eine ganz unzweckmäßige und die Verfügung, daß man bei allen Zahlungen mit alten Münzen nach neuer Währung nicht un¬ bedeutende Einbuße erleiden muß, und¬ die alten Münzen im Rechnen und beim Zahlen verschiedene Werte haben, z. B 6 Konventionskreuzer im Rechnen 10½ Neukreuzer, beim wirklichen Auszahlen aber 1 Silbersechser nur 10 Neukreuzer, 6 Kupferkreuzer aber gar bloß 9 Neu¬ kreuzer galten, wurde das allgemeine Vertrauen tief erschüttert. Nachdem zu Ende November außer wenigen Neu¬ kreuzern noch gar kein Neugeld zum Vor¬ schein kam, hörte man an vielen Or¬ ten mit der Rechnung in neuer Wäh¬ rung wieder ganz auf und rechnete wieder nach Konv.=Münze, ja viele Leute vom Landvolke rechnen gar noch in Wie¬ ner Währung, obwohl seit 1. November gar keine mehr eristiert. Am Samstage den 27. November und am Sonntage den 28. fand in der Stadtpfarrkirche die feierliche Aufstellung des neuen, die Gebeine der heiligen Columba enthaltenden Sarkophages auf dem Altartische des vormaligen vorderen Seitenaltars im Presbyterium statt. Der Abt Anselm von Garsten als vormaliger hiesiger Stadtpfarrer er¬ hielt diese Reliquie im Jahre 1688 vom Papste aus Rom, und soll diese Heilige eine Klosterfrau in Cordova in Spanien und im Jahre 853 dort ent¬ hauptet worden sein. Die Gebeine wa¬ ren seither in einem Sarge unter dem Altartische des alten Hochaltars ver¬ wahrt gewesen, wurden jetzt von den Klosterfrauen in Gleink gefaßt und der der Bildhauer Schönlaub in München, ver¬ Erbauer des neuen Hochaltars,

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