Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

32 denn sie hatte für denselben einen freundlichen Blick. „Der erste solche von ihr für mich, dachte Meginhalm, und seine Laune bes¬ serte sich von da an zusehends für den ganzen Nachmittag. Er wurde aufge¬ räumter und suchte hie und da ein er¬ gänzendes Wort in die Erklärungen des Paters einzufügen, was ihm so gut gelang, daß die hohe Frau bei einer solchen Gelegenheit plötzlich zu Fräu¬ lein Mechthild sagte: „Ei, seht doch den schweigsamen Ritter Meginhalm, wie der plötzlich unterhaltsam zu sein versteht — habt ihr das Wunder be¬ 77 wirkt, liebe Mechthild? Fräulein Mechthild war rot im Ge¬ sichte geworden und wußte nicht zu ant¬ worten und Meginhalm war fast bestürzt über die Worte der hohen Frau, die jedoch gar keine Antwort abwartete und weiterschritt. Der Klosterbesuch endete damit, daß der Abt der hohen Frau und ihrer Begleitung einen Imbiß sich anzubieten erlaubte, doch lehnte sie dankend ab bat um etwas Milch, trank davon ein wenig und verabschiedete sich dann mit lebhaften Worten des Dankes für die Zuvorkommenheit des Abtes und seiner Klosterbrüder. „Eine ebenso edle, als liebenswür¬ dige Frau,“ sagte der Pater Prior, als die Gesellschaft aus dem Klostertor ritt, zum Abt, „sie wird eine gütige Lan¬ desmutter werden.“ Ein Schatten überflog das Antlitz des Abtes bei diesen Worten und ohne auf die Worte des Priors zu antworten, wandte er sich an einen eben herzu¬ tretenden Laienbruder und sah densel¬ ben fragend an. „Die edlen Herren sind alle droben im Erkerzimmer, hochwürdiger Vater, sagte der Mönch, „sie erwarten euch.“ Der Abt nickte grüßend seiner Be¬ gleitung zu und schritt in das Innere des Klosters. Bei seinem Eintritt in das Zimmer droben im ersten Stockwerke erhoben sich vier Herren, die beim Tische, der in der Mitte des Gemaches stand, gesessen hatten: Marquard I., der Abt von Gleink, der Burggraf von Steyr, Herr Gerung von Schachen und Ulrich von Stubenberg. Nach freundlicher Begrüßung nahmen die fünf Herren beim Tische Platz und der Abt von Garsten begann, stockend und mit allen Zeichen der inneren Er¬ regung seinen Gästen eine Mitteilung zu machen, die auch die edlen Herren in große Aufregung versetzte, denn sie un¬ terbrachen oft die Worte des Abtes mit Ausrufen des Erstaunens und des Schreckens. „Woher habt ihr die Schreckens¬ mär?“ fragte Ulrich von Stubenberg, als der Abt geendet hatte. „Von den Aerzten,“ entgegnete der Abt von Garsten gedrückt. „Sie können sich irren,“ rief Ul¬ rich von Stubenberg fast drohend, „es ist eine so schlimme Botschaft, daß sie fast unglaublich klingt!“ Und auch der Abt von Gleink und die anderen zwei stimmten ihm bei. „Hört sie selbst aus dem Munde der Aerzte,“ meinte der Abt von Gar¬ sten, erhob sich, trat zur Tür, die in ein Nebengemach führte, öffnete die¬ selbe und sagte mit lauter Stimme in das Gemach hinein: „Tretet zu uns herein, ihr Männer der Arzneikunde — die Herren dahier sind ungläubig wie einst Thomas es tut mir leid und in der Seele weh, sie gläubig machen zu müssen. Und der Abt von Garsten trat wie¬ der zu seinem Sitze zurück, während hinter ihm Pater Erasmus und der alte Abraham dem Tische näher traten. Auf einen Wink seines Abtes schil¬ derte nun Pater Erasmus die Krankheit des Herzogs, betonte, daß er denselben seit dessen frühester Jugend kenne, er¬ innerte die Herren an verschiedene, ihnen wohl selber aufgefallene Dinge am Leiden des Fürsten, worauf er, die Hand am Herzen, beteuerte, er könne das Leiden des Herzogs nur als

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