Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1915

8 daß dieser Einzug — noch nicht er¬ folgt ist?“ Diese Frage zeigte, daß der Herzog gar trefflich zu beobachten verstand und über Meginhalms Neigungen mehr wußte, als er sagen wollte. Herr Ge¬ rung lächelte und zustimmend nickend ent¬ gegnete er launig: „Mag wohl sein, gnädigster Herr, man haßt oft manches, was man sich wünscht, eben darum, weil man's noch nicht hat. — Soll ich die Herren, so zu Wien waren, für heute Abend zur Tafel holen lassen, gnädigster Herr?“ „Ei, freilich, lieber Gerung,“ sagte der Herzog, der seinem Kämmerling auf Meginhalm herüber freundlich und verständnisvoll zugezwinkert hatte, gut¬ gelaunt, „tut das, wollen fröhlich sein heut abends und neues noch von Wien erfahren — und jetzt gönnt mir ein Stündchen Ruh — Gott sei's geklagt daß ich solche so vonnöten habe!“ III. Während an diesem Abend im Rit¬ tersaal der Styraburg Herzog Ottokar mit den für diesen Abend Geladenen tafelte und fröhliche Laune zeigte, saß drunten in der Wohnung des Torwarts Aribo der Alte mit Frau, Tochter und seinem zukünftigen Schwiegersohne, dem Troßknecht Hellwig, beim lustig flackern¬ den Kaminfeuer, und während die Frauen hurtig spannen, plauderten die zwei Männer über die Ereignisse des Tages. D er Wind heulte draußen und ab und zu klatschte der Regen an die bleiumränderten Scheiben der Fenster, es war so recht ein Wetter, geschaffen dazu, am Kamin zu sitzen und Feier¬ abend zu halten. Während der Alte und Hellwig so ruhig hinplauderten, sah der Letztere hie und da nach Jungfer Eva hinüber und war's recht wohl zufrieden, wenn es sich gerade traf, daß die junge Spin¬ nerin zu ihm just zu selber Zeit her¬ über sah. Sie nickten sich dann vertrau¬ lich zu, und geschah's, daß der alte Torwart oder sein Weib diese Blicke der zwei jungen Leute bemerkten, so lächelten sie wohl fein und gedachten vergangener Zeiten. Wie nun Hellwig wieder einmal nach seiner Versprochenen hinüber sah, be¬ merkte er, daß diese aufzuhorchen schien und den Kopf gegen eines der Fenster hinneigte, als höre sie irgend ein Ge¬ räusch, das ihr nicht geheuer vorkam. Eben wollte er Eva um die Ursache ihres Benehmens fragen, als der alte Torwart, der Evas Aufhorchen eben¬ falls gewahrt hatte, schon fragte „Na, Eva, was gibt's denn? Hörst du etwa wieder ein Käuzlein, wie vor etlichen Wochen, und denkst, es sei ein böser Geist, so nicht Ruhe findet, bis er unser Schloß allnächtlich einigemal umkreist hat?“ Hellwig wollte es zum Lachen rei¬ zen, denn er erinnerte sich, wie vor einigen Wochen auch spät abends, gerade vor dem Fenster, zu dem jetzt Eva hinaushorchte, ein fürchterliches Weh¬ klagen sich erhoben hatte und die beiden Frauen unter frommen Sprüchen aus der Stube geeilt waren, in heller Angst, der „Burggeist“ könnte seine Runde machen und halte grad vor dem Fenster still, um zu klagen oder zu weinen wer könnt' wohl der Geister seltsame Sprache verstehen? Der Torwart und Hellwig aber hatten sich ohne Furch erhoben, das Fenster geöffnet und zu¬ gesehen, woher die klagenden Töne kamen, und siehe da, droben am obe¬ ren Fenstergesimse hing an einem Haken der spitz und lang vorstand aus der Mauer und wohl einst zur Befestigung eines Fenstergitters gedient haben mochte, ein Käuechen grad durch den rechten Flügel durchgespießt und schrie ob dieser nicht sonderlich behaglichen Lage ganz erbärmlich. Die zwei Män¬ ner befreiten das Tier aus seiner ver¬ zweifelten Lage und holten es in die Stube herein, und siehe da, es war ein noch nicht flügger Uhn, der wahr

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