Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

IXVI Stallmeister, von dem sich Graf Aribo die Sache erzählen ließ, meinte, der Schildträger habe nichts behauptet, son¬ dern nur gefragt, zu ahnden wären da nur der Vorwitz und die Dreistigkeit des Zventibold. Aber, ein Graf ist eben ein Graf und der aus dem Ennstale war zumal Gast und Bundesgenosse des Traungauers, also verwies Herr Aribo die Angelegenheit des Zventi¬ bold vor das Gaugericht.*) Im Gaugericht hatte Zventibold we¬ nig Freunde und in den herrschenden Kriegszeiten, wo ein Waffenbruder den anderen dringend brauchte, war nicht darauf zu rechnen, daß ein einfacher Kriegsknecht besondere Schonung hei¬ schen konnte und so wurde die Forde¬ rung des Ennstaler Grafen, daß der Schildträger Zventibold für seine Frech¬ heit, sich einerseits als gleichgestellt mit dem hohen Adel und anderseits letz¬ teren als Galgenvögel hinzustellen, mit dem Tode zu bestrafen sei, als berech¬ tigt anerkannt und Zventibold zum Strick verurteilt. „So, sagte der Ennstaler Graf, als er diesen harten Urteilsspruch hörte, „das kommt von der übergroßen Ge¬ scheitheit, die macht frech.“ Solltet doch ein Wort zur Be¬ gnadigung des Zventibold bei den Rich¬ tern sprechen,“ meinte Herr Aribo nach¬ denklich, seinen Kriegsgefährten an¬ sehend, „verlier den Mann nicht gern, ist ja zuweilen ein gar arger Wicht, hängt aber sehr an mir, möchte aber euch doch die Genugtuung geben, so ihr sie just so haben wollt!“ Der Graf aus dem Ennstale dachte ein wenig nach. Nicht, daß ihm die Strafe zu arg erschien für den Zventi¬ bold, nein, durchaus nicht, ein kecker Knecht war er, was lag an einem Knecht? Aber, er sah die Verstimmung in den Mienen des Grafen vom Traun¬ gau, ihrer Freundschaft drohte da ein arger Riß und er brauchte den Traun¬ *) Höheres Gericht unter Dorsitz des Gaugrafen, das monatlich Recht sprach. gauer und seine Mannen notwendig. So stellte er sich milde gesinnt, aber in dieser Milde lag gar arges Falsch und große Hinterlist. „Gut,“ sagte er, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte, „euer Tausend¬ sassa und Schelm soll frei ausgehen, so er sich selber frei macht.“ Herr Aribo und die Männer des Gaugerichtes, die herbeigetreten waren und den Worten ihres Landesherrn zu¬ stimmend zugenickt hatten, sahen den Ennstaler Grafen fragend an — gutes hatte der nicht im Sinne, dafür kann¬ ten sie ihn zur Genüge. „Ich leg hiermit Fürbitt ein beim hohen Gaugericht,“ sagte nun der Graf aus dem Ennstale, „soll ihm jede Straf erlassen sein, dem Zventibold, so er uns ein Beispiel seiner Weisheit und seines Witzes gibt, die er so oft an mir ge¬ übt hat. Soll uns ein Rätsel aufgeben, in schönem Reimsprüch¬ lein; lösen wir dasselbe, wird der Zventibold gehenkt, sind wir nicht im¬ stand, die Lösung dieses Rätsels zu fin¬ den, mag er frei ausgehen und ich trag ihm keine Feindschaft nach. Mor gen um die Zeit trete das Gaugericht wieder zusammen, so ihr wollt, wie ich soeben sagte. Die Männer schüttelten bedenklich die Häupter, nicht der Sonderbarkeit wegen, welche der Vorschlag des Gra¬ fen aus dem Ennstale in sich barg, der¬ lei seltsame Reden und ungereimte Be¬ gehren waren in dieser stürmischen, un¬ abgeklärten Zeit nichts seltsames, sie begriffen aber die Arglist des Enns¬ talers, dessen Rachegefühl sich hinter scheinbarer Milde für den Zventibold in dem schier unausführbaren Vorschlage verbarg. „Also eine Art Gottesur¬ teil soll es sein,“ brach der Traun¬ gauer Graf endlich das ungemütliche Schweigen, das jetzt herrschte und sah die Schöffen des Gaugerichts vielsagend dabei an.

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