Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1913

LXIV haft, „ich will bei dem Geding bleiben und es ehrlich und redlich halten: so wie ich gekauft habe, soll es sein. Ich habe ihm zehn Goldstücke bar gegeben, die andern sechzehn sollt ich ihm schul¬ dig bleiben. Wenn ich sie ihm nun bar gäbe, so bliebe ich sie ihm ja nicht chuldig, das aber wäre wieder mein Geding!“ Graf Aribo sah seinen rechtskundi¬ gen Schildträger starr an, er war über diese Gesetzesauslegung bei diesem Pferdehandel einige Augenblicke ebenso sprachlos wie seine Umgebung und der klageführende Roßtäuscher, endlich aber sagte er und man sah es, daß er nur mit Mühe das Lachen verbiß, ganz be¬ stimmten Tones: „Der Handel ist durch Zeugen be¬ stätiget, also bleibt es bei dem Geding macht daß ihr weiterkommt von hier!“ Der Graf Aribo erhob sich von dem Stein, auf dem er gesessen hatte und ging hastig in die „Burg“ hinein und die Leute hörten noch, daß er, die Türschwelle überschreitend, laut auf¬ lachte. Auch sein Schildträger verzog sich rasch aus der Zeugenschar und der Roßtäuscher beeilte sich, aus Styra ab¬ zuziehen und Segenswünsche hatte er da¬ bei für seinen Schuldner keinesfalls auf den Lippen. Die Sache redete sich natürlich herum in der „Burg“ und im Land, wurde viel belacht und alles lobte die „Weisheit“, des wackeren Zventibold. Graf Aribo fand die Sache auch her¬ nach noch spaßhaft, meinte aber doch zu seinem Stallmeister. „Der Zventibold ist ein witziger Bursch und nachdem der Roßtäuscher ohnehin hier genugsam betrogen hat, hab' ich dem Zventibold den Handel hingehen lassen; wird sich aber noch hineinreiten in eine bösere Sach', wo ich ihm aber nicht werd' helfen können!“ Dieser Ausspruch des Grafen Aribo sollte sich schon wenige Wochen darauf bewahrheiten. Nach Styra war der Graf aus dem Ennstale zu Besuch ge¬ kommen*), ein gar stolzer und hochfah¬ render und von seinem Adel sehr ein¬ genommener Mann, der auf seine Dienst¬ leute und das Volk mit großer Verach¬ tung herabsah und in jedem und allem bestrebt war, den Adel als höhere Wesen hinzustellen. Der Schildträger Zventibold und der Stallmeister wurden ihm vom Grafen Aribo zugewiesen zur Bedienung und Begleitung und der Graf aus dem Ennstal ritt täglich aus, sowohl auf die Jagd als auch, um die Gegend um Styra und dessen Bewoh¬ ner und die Hilfskräfte des Landes kennen zu lernen, was dem Bundesge¬ nossen des Traungauer Grafen nottat. Bei diesen Ritten entwickelte der Ennstaler Graf in Taten und Reden Ansichten über Land und Leute, welche dem an eine milde und gütige Be¬ handlung, wie sie Graf. Aribo seinen Untergebenen angedeihen ließ, gewohn¬ ten Zventibold gar nicht paßten, da¬ her es zwischen dem hochmütigen, jeder Bildung baren Ennstaler Grafen und dem immerhin recht gut unterrichteten Schildträger öfters zu scharfen Aus¬ sprachen kam, besonders dann, wenn der Ennstaler Graf alle Nichtadeligen als Menschen minderer Art bezeichnete. In der Gegend der heutigen Pfarr¬ kirche in Stadt Steyr stand damals ein kleines Holzkirchlein, in welchem ab und zu der Pfarrer von Sirnicha““) die heil. Messe las. Um das Kirchlein herum war ein sehr verwahrloster Gottesacker, wenn eine Stätte, auf der die Men¬ schenknochen nur so bloß herumlagen und wo derlei menschliche Ueberreste, die damals häufig allerorten zu fin¬ den waren, gesammelt wurden, so ge¬ nannt werden darf. Als der Ennstaler Graf nun mit seinen beiden Begleitern da vorbeikam, hielt er sein Pferd an und sagte, zu *) Graf bedeutete damals das Amt, nicht aber den Adelsrang eines Mannes. Das Ennstal bildete in jener Zeit einen Gau für sich **) Heute Sierning.“ Bis etwa zum Jahre 1084 war Sterr nachsSierning eingepfarrt.

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