Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1912

64 als Zeuge aufgerufen würde, könnte ich nichts machen! Sie wissen doch, der Zeugniszwang und unter Eid! Dann würde es mir natürlich unendlich leid tun!“ „Wer sollte Sie als Zeugen auf¬ rufen!“ entgegnete der Oberförster er¬ schrocken. Reineke zuckte diplomatisch die Ach¬ seln. „Man sah mich vorübergehen, als der Schuß fiel! Es ist zu dumm!“ „Und der Zeugniszwang! Was meinen Sie damit?“ stotterte Eisen¬ bart. „Da ließe sich also gar nichts machen? Aber besinnen Sie sich doch bester Herr Referendar,“ fügte er scheu hinzu, „ein Jurist weiß doch immer ein Hintertürchen!“ Der Referendar sann. „Nichts zu machen!“ meinte er bedauernd. „Zur Zeugnisverweigerung berechtigt sind nur Verwandte und Verschwägerte. § 51 der Strafprozeßordnung!“ Er be¬ tonte das letztere Wort stark. „Also Eltern und Kinder, Geschwister, Schwie¬ gervater und Schwiegersohn usw“ Schlau blinzelte er zu seinem Nach¬ bar hinüber. Hallo! Das hatte ge¬ wirkt! Er sah ganz deutlich, wie der Oberförster zusammenzuckte. „Zu meinem Bedauern habe ich nicht die Ehre!“... Der Referendar lächelte verbindlich, den Nachsatz unterdrückend. * * * „Ich habe ein ernstes Wort mit dir zu reden!“ sagte Frau Johanna spät abends, nachdem das Kind zu Bette gegangen war. — Das Kind war Ann¬ chen! — Und sie sprach lange und sehr ernst. „Also darf er morgen kommen 6 7. S und anhalten?“ schloß sie endlich ihre Rede. „Ja! In Dreiteufelsnamen!“ er¬ widert der Oberförster Eisenbart. „§ 51 der Strafprozeßordnung!“ fügte er ge¬ dankenvoll hinzu „Was sagst du?“ fragte Frau Johanna erstaunt, doch sie erhielt keine Antwort. * * Trotz alledem war es ein fröhliches Verlobungsfest! Nachdem der alte Eisenbart manches Gläschen geleert hatte, wurde er ganz gemütlich. Er ge¬ stand sich selbst, Reineke war gar nicht so schlimm, als er gemeint hatte „Mir ist ordentlich leicht!“ sagte er vertraulich zu dem Referendar. „Jetzt als mein Schwiegersohn, wirst du doch wohl kein Zeugnis gegen mich ablegen in der Katzengeschichte!" Er lachte fröh¬ lich auf bei dem Gedanken. „Warum denn nicht, lieber Schwie¬ gerpapa? Eisenbart war verdutzt. „Du woll¬ test? * * *Das wäre aber ein starkes Stück!“ „Ja, warum denn nicht? Du hast ja die Katze gar nicht getroffen. Sie fiel nur im Schrecken herab und lief gleich wieder munter davon! Ich habe es ganz deutlich gesehen. Heute morgen saß sie wieder ihrer Herrin im Schoße!“ Der Schwiegervater brauste auf. „Warum hast du mir das aber nicht gleich gesagt!“ „Du hast mich ja gar nicht danach ge¬ fragt!“ entgegnete der andere verbind¬ lich. „O diese Juristen!“ seufzte Eisen¬ bart. Dann stieß er mit seinem Schwie¬ gersohn an.

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