Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

um beim Löschen zu helfen. Sie hatten — allerdings etwas gesehen etwas Schwarzes, Schattenhaftes, das in den am Berghang hinaufwallenden Rauch¬ massen flüchtig an ihnen vorübergehuscht war, aber ob es ein Mensch oder ein Tier gewesen, darüber waren sie nicht einig. Man forschte vergeblich nach dem Posamentierer, er war verschwunden. * * * Der Bergbau auf Silber, Zinn, Blei und Kobalt im sächsischen Erzgebirge und speziell bei Annaberg war gegen Ende des 17. Jahrhunderts ertragreicher und loh¬ nender als heutzutage. Aber auch schon damals gab es am hohen Pöhlberge, an dessen Abhang die Stadt erbaut ist, und den Bergen dahinter abgebaute und ver¬ fallene Gruben, in welche seit langen Jahren kein Bergmann meyr hinas¬ gestiegen war, da es sich nicht mehr lohnte, dort nach Erz zu schürfen. In einem solchen verfallenen Stollen, tief im Innern des Berges, etwa eine halbe Meile von der Stadt, hatten zwei Männer ihre Wohnung aufgeschlagen. Sie konnten dort ziemlich sicher vor den Spähern, welche sie zu fürchten hatten, hausen, denn diese schon teilweise zusam¬ mengestürzte Grube galt für ungangbar und das Eindringen für lebensgefährlich. □ In der Tat führte auf verschlungenem Pfade nur ein schmaler Durchlaß zu der geräumigen Höhle, welche den Schlupf¬ winkel bildete. Klares Wasser sickerte an einer Stelle aus den Spalten des Fels¬ gesteines, sammelte sich in einem natür¬ lichen Bassin und hatte auch einen unter¬ irdischen Ablauf. Der eine Höhlenbewohner, ein Mann mit kühnem, listigem Antlitz, und der Physiognomie nach ein Jude, lag mit ver¬ bundenem Bein auf einer Wolldecke, die über ein Lager von Moos und Heu ge¬ breitet war. Der andere kauerte neben ihm auf einer zottigen Pelzdecke. Zwi¬ schen beiden stand eine Blendlaterne, deren Licht trübe in der dicken, dumpfen Grubenluft schimmerte. 53 „Also, dein Haus hast du verbrannt, Friedel?“ fragte der Jude. „Ja, die Narren sollten nichts er¬ wischen, gar nichts“, versetzte der Posa¬ mentierer. „Sieh, Löbel, diese Kleinodien habe ich bei meiner schleunigen Flucht glücklich geborgen.“ Und er zeigte einige funkelnde Ju¬ welen. „Herrlich! Wo hast du diese Schmuck¬ sachen gefunden?“ „In einem schönen Landhause in der Nähe von Meißen.“ „Ich habe auch noch Schätze an Gold¬ sachen und Juwelen hie und da verbor¬ gen. Kommen wir nur glücklich aus dieser Klemme, so können wir beide später noch in Polen oder Ungarn ein höchst ver¬ gnügtes Leben führen. „Das hoffe ich. Es ist nur verwünscht, daß wir kein bares Geld mehr haben. Diese Kostbarkeiten zu verkaufen, ist jetzt zu gefährlich, weil man uns scharf auf die Finger paßt. Ich versuchte neulich, als noch kein Mensch ein Arg hatte, zwischen Dämmerung und Dunkelheit einen Geldsack zu erschnappen, aber das Wagestück mißglückte leider. „Seit einiger Zeit haben wir über¬ haupt viel Unglück. Unsere Brüderschaft ist gesprengt; viele sind verhaftet, wir selber werden verfolgt. Wäre ich nurerst wieder gesund.“ „Das war das schlimmste Unglück, daß du in die Schlucht stürztest und ein Bein so schwer verletztest auf deiner Flucht über das Gebirge.Meine Schuld war es nicht, denn ich führte dich treulich und wählte auf deinen eigenen Wunsch den kürzesten, aber auch gefährlichsten Pfad. „Ich weiß es wohl, mein getreuer Friedel. Aber, beim Henker, ich kann nicht so klettern und springen und Berge steigen wie du! Glücklicherweise war dieser Schlupfwinkel ganz in der Nähe; mit übermenschlicher Anstrengung schlepp¬ test du mich hieher. Und ein Glück ist es auch, daß ich einige wundärztliche Kennt¬ nisse besitze und dir die nötige Anweisung zu meiner Behandlung geben konnte. Haben wir nur immer Lebensmittel ge¬

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