Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1909

54 nug, so können wir in dieser Höhle recht gut einige Wochen oder selbst Monate bis zu meiner völligen Heilung aus¬ dauern.“ „An Lebensmitteln soll 's nicht fehlen, die hole ich nachts aus den Speise¬ kammern und Vorratskellern von Anna¬ berg!“ „Lasse dich nur nicht erwischen, Friedel! Wenn man dich beim Kragen nähme, so müßte ich hier elendiglich ver¬ hungern. Die Höhle würde mein Grab sein. er¬ „Den möchte ich sehen, der mich wischen will!“ rief der Posamentierer Die prahlerisch. „Sei ruhig, Kamerad! mir dummen Leute haben Angst vor und wenn ich zwischen Dämmerung Sie Dunkelheit durch die Gasse schweise. halten mich für einen Gespensterhund: Der Stadt= und Gerichtsschreiber Jo¬ hann Pfefferkorn zu Annaberg hat eine Chronik über seine Vaterstadt geführt, welche aus jener Zeit folgendes berichtet: „Anno Domini 1691. In dem Hause des Archidiakonus Zobel dahier ließ sich m Monat September ein sogenanntes Gespenst merken, welches durch Poltern Werfen mit Steinen, Feueranlegen, Plätschern in den Wassertrögen, Heulen, Hohnlachen, Kläffen und Bellen in Ge¬ stalt eines schwarzen zottigen Hundes die eltsamsten und erschrecklichsten Possen trieb. Viele christliche und verständige Leute glaubten, daß, wenn nicht Satan selbst unmittelbar sein Spiel treibe, er doch wenigstens durch böse Leute, die mit solche ihm in Verbindung stehen, Spukereien verursache. Es wurde einem Edlen Rat sowohl mündlicher als schriftlicher Bericht davon erstattet, und hierauf sogleich veranstaltet, daß das Haus bei Tag und Nacht von Bürgern aufs Schärfste bewacht wurde, die auch zu wiederholten Malen alle Winkel des¬ selben durchsuchten, aber den Poltergeist nicht erwischen konnten. Täglich wurden vom Magister Zobel Betstunden in dem Hause gehalten und in der Kirche ge¬ schahen Fürbitten, daß die Spukereien weder für das Haus, noch für die ganze Stadt gefährliche Folgen haben möchten. Dabei blieb es aber nicht. Auch andere Einwohner beunruhigte das „Hunde¬ gespenst“ und viele freche Räuvereien verübte dasselbe. Aus Speisekammern und Vorratskellern, Fleischerläden und Bäckerläden stahl das „Gespenst“ mit wunderbarer Geschicklichkeit allerlei Le¬ bensmittel und nahm auch sonstige kleinere Wertsachen mit, wo immer es solche zu erwischen vermochte. Solche unheimliche Räubereien wurden ebenfalls zuweilen in der Umgegend ver¬ übt, in den kleineren Ortschaften des Gebirges, bis nach Schneeberg hin, bis sich unter dem Volke die Ansicht ver¬ breitete, daß kein anderer als der Posa¬ mentierer der Gespensterhund sei, welcher all diesen Schabernack verursache. Der Magistrat schien die Meinung des Volkes zu teilen, denn es wurde ein Preis von 100 Talern auf die Einbrin¬ gung des flüchtigen Posamentierers gesetzt. Aber es gab noch immer furchtsame und aberglaubische Gemüter, welche glaubten, daß kein Sterblicher es wagen werde, ein Gespenst anzugreifen, das mit dem Teufel im Bunde stehe. Der allerfurchtsamste Mensch in Anna¬ berg war der biedere Küster Kaspar Lambertus. Kein anderer hatte solche Angst vor dem Gespenst als er. Sein Haus stand neben dem des Archidiakonus Zobel, so daß er häufig in dunklen Nächten den spukhaften Lärm vernahm und dann vor Entsetzen erbebte. Eines Nachts hatte er sogar ein Gepolter und Hohngelächter aus seiner eigenen Speise¬ kammer erschallen hören. Als er am fol¬ genden Morgen dieselbe revidierte, stellte es sich heraus, daß der beste Schinken und die beiden schönsten Würste fehlten. Offenbar war der Gespensterhund da¬ gewesen! Da sträubten sich die Haare auf dem Kopfe des Küsters und er erzählte überall, daß er 200 Taler demjenigen geben wolle, der die Stadt von dem Ge¬ spenst befreie. Lambertus war durch Erbschaften ein

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