Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

100 „Er ist fort“, schrie ihnen der Alte entgegen, „und mit ihm die vierhundert Dukaten, die ich euch mir vom Munde abgespart habe!“ Die beiden Jungen sahen sich einen Augenblick entsetzt an, dann eilten sie aus der Stube, um bald darauf mit Hacken bewaffnet wieder einzutreten. „Was gilt's?“ fragte der Alte. „Kommt nur, Vater, wir werden ihn bald einholen und ihm unser Geld wieder abnehmen“, sagte der Aeltere, der Alte nickte Beifall und alle drei eilten aus dem Hause. Knapp am Rande des Wasserbeckens, in das der Teufelsbach herunterstürzt holten die wütenden Bauern den Fran¬ zosen ein, der sorglos am Rande des Wassers saß und freudig den eroberten Schatz überzählte. Plötzlich ergriffen ihn von rückwärts zwei derbe Fäuste, entsetzt wollte sich der Soldat umwenden, allein die Fäuste der Bauern hielten ihn wie Schraubstöcke fest. „Das Geld, das Geld“, schrie der Bauer, denn der Soldat hatte noch Zeit gehabt, den Geldbeutel in seiner Uniform zu verbergen. Der Soldat antwortete nichts, aber ein wildtrotziger Blick belehrte die Bauern daß er nicht gewillt sei, seinen Raub ahren zu lassen. So begann ein fürchter¬ liches Ringen, der Soldat wehrte sich mannhaft gegen die Angreifer, aber er mußte einsehen, daß er unterliegen werde. Schon hatten ihn die Bauern zu Boden geworfen und hielten ihm Hände und Füße, und der Alte begann seinen Schatz zu suchen. „Ich hab's“ schrie er plötzlich in wilder Freude und hielt in der hoch¬ erhobenen Faust den ledernen Beutel. Da überkam es den Franzosen wie Riesenstärke. Als hätten ihm die Bauern sein Teuerstes geraubt, machte er eine gewaltige Anstrengung und es gelang ihm, eine Peiniger von sich abzuschütteln. Im nächsten Augenblick hatte er dem Bauer den Geldbeutel entrissen, eine Handbewe¬ gung, ein Schwirren durch die Luft, ein „Klatsch“ — und der Geldbeutel flog ins Wasser, dessen sich kräuselnde Ober¬ fläche bewies, daß der Schatz, um den vier Menschen sich gerauft und bekämpft, am Grunde des Wassers lag. Einen Augenblick standen die drei Bauern wie erstarrt da und stierten nach dem Wasser, der Soldat aber wollte diesen Augenblick benützen und nach seinem Gewehr greifen, das ihm beim Ringen entfallen war. Doch da löste sich der Bann, der auf den Dreien lastete. Der ältere Sohn erhob rasch die Hacke, ein Hieb und mit einem Wehschrei sank der Soldat mit einer klaffenden Wunde am Kopfe blut¬ überströmt zu Boden. In sinnloser Wut stürzten sich nun die drei, von Rachsucht erfüllt, auf den Soldaten. Die Hacken hoch erhoben, Flüche und Verwünschungen ausstoßend, knieten sie auf ihn. Der Fran¬ zose aber bat mit aufgehobenen Händen um sein Leben. Allein, die Bauern verstanden seine Sprache nicht und wenn sie dieselbe auch verstanden hätten, so würde ihre Rach¬ ucht ihnen nicht zur Schonung geraten haben. Der Franzose erkannte den Ernst der Lage und versuchte ein äußerstes, wahr¬ haft rührendes Mittel, um sein Leben zu retten. Er zog aus dem Waffenrock ein Kreuzlein hervor, das er an einem Kettlein um den Hals trug, vielleicht der Talisman, den die besorgte Mutter dem cheidenden Sohne mit in's Feld gab, als er von ihr Abschied nahm. Dieses Kreuz¬ lein küßte er inbrünstig, hielt es seinen Feinden hin und gab ihnen durch Zeichen zu verstehen, daß auch er ein Christ sei und sie um Christus willen um Gnade bitte. Allein, die Wütenden kannten kein Erbarmen und unter ihren Axthieben hauchte der Unglückliche sein Leben aus so Nachdem das Werk der Rache blutig vollbracht war, begannen die Bauern nach dem Schatz im Wasser zu suchen allein vergebens, der Teufelsbach schien das blutige Tun der Bauern zu verab¬ scheuen und gab seine Beute nicht wieder so heraus. Die Bauern fanden nichts,

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