Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

8 98 frei geworden, sang er „Vierzeilige“ auf seine Verfolger undsagte lachend zum Oberförster: „Müssen schon zwei sein zum Erwischen der rote Filz' und noch einer!“ und ein paar Tage drauf, schoß er dem Fürsten einen Kapitalhirsch fast vor der Nase weg. Plötzlich hörte man nichts mehr von Wilddiebstählen in den Lambergschen Jagdgründen, der „rote Filz“ lag mit 105 WG eingebundenem Kopfe zu Hause und als er gesundete, blieb er in der Werkstatt, trank abends seine paar Maß Bier und lebte wie jeder andere Bürger. Darob große Verwunderung und von allen Seiten bestürmt, erzählte er endlich im Freundes¬ kreise den wahren Grund seines Um¬ sattelns. Geh da um Mitternacht auf den Damberg“, begann er und setzte seine Pfeife in Brand, „is nit gar geheuer um die Zeit da oben!), man sagt, der Böse?) gehe dort herum. Habe ihn nie gesehen, muß's sagen, aber alle alten Jäger er¬ 1) Jägersleut sind allzeit ein wenig abergläubisch und die Sage, daß es zu Zeiten am Damberg nicht „geheuer sei, wird sich in Steyr im Volke noch jetzt bei Gelegenheit zugeraunt. 2) Der Teufel. zählen es und die wissen's genau. Wie ich von der Hirschzungen in den Wald einbieg, hör ich auf einmal eine näselnde Stimme hinter mir sagen: „Was machst denn du da? Ich dreh mich um und seh einen Jäger vor mir stehen, wie aus der Erd' herausg’wachsen. Mich überläuft es eisig¬ kalt. Das ist kein Jäger, denk ich, auch glaubt ich zu bemerken, daß er einen 84 3 Gemsfuß habe.!) Stell mich aber fest hin und sag: „Und was machst du da?“ „Ich bin ein Jäger“, entgegnete er, wieder mit so näselnder Stimme. „Ich kenn aber doch alle Jäger in der Weit und sag, ich glaub's nit.“ Ein Wort gibt jetzt das andere, wir fangen zu streiten an und endlich leg ich auf ihn an. Der mit dem Gemsfuß aber, packt mich plötz¬ lich, hebt mich federleicht in die Höh' und lauft wie der Wind mit mir durch dick und dünn, daß mir völlig Hören und Sehen vergeht und ich ganz zerkratzt und zerschunden bin. Plötzlich laßt er mich fallen, daß mir die Knochen im Leib alle knacken und sagt drohend: „Daß du mir nimmer kommst!“ „Und du auch nit, sonst bring ich dir was mit' entgegnete ich und klaub 1) In der Stadt Steyrer Gegend war ein Gemsfuß das Kennzeichen des „Bösen“, des Teufels.

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