Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

Alle Rechte vorbehalten. Stadt Stegrer Pollissagen. Gesammelt und seinen Landsleuten erzählt von Heinrich Rematmüller. I. Filz“. Der „rote Es ist was eigenes um das Wildern Fürst Lamberg hatte einen hohen Preis in den Alpen. Es zieht den Schützen auf seinen Kopf gesetzt, aber niemand mit Gewalt aus dem stillen Heim hinaus konnte ihn erwerben. in den düsteren Wald, in die kaum gang¬ „Du bist ein Wilddieb“, sagte ein¬ baren Pfade des Hochgebirges, und er mal zornig der Revierförster, „wenn ich achtet nicht der Gefahren, die ihn um¬ dich im Walde treffe, schieße ich dich nieder!“ geben, weder den trügerischen Boden, der mit Steingeröll bedeckt, ins Rollen gerät „Geht nicht so leicht“, lachte der „rote und ihn in den Abgrund reißt, nicht Filz“ hellauf, „müssen schon zwei dabei der Schneestürme, die ihm den Rückweg sein. abschneiden und ihn elendiglich umkommen Eines Tages erfuhr er, daß der Fürst lassen, noch des Jägers, der ihm auf Tritt eine große Jagd veranstalte. Es galt und Schritt auflauert und ihm die töd¬ einem wohl zwanzigjährigen Hirsch und liche Kugel nachsendet eine große Gesellschaft hatte sich im die Schlosse zu Steyr versammelt. In der Das Wildern ist eine Krankheit, zu Sucht, von der verbotenen Frucht Nacht vor der Jagd entlud sich ein furcht¬ Er¬ naschen, unheilbar, wenn nicht ein bares Gewitter und die die Runde hal¬ eignis eintritt, das sich als das richtige tenden Jäger verbargen sich, so gut es Heilmittel erweist. ging, vor dem niederströmenden Regen. So war das auch beim „roten Filz“ Das war die rechte Zeit für den „roten der Fall. Diesen Namen hatte er von Filz“. Sein Schuß verklang im Rollen seinem struppigen roten Haar und Bart des Donners und der herrliche Hirsch, erhalten und der war so gang und gäbe der Stolz der Lambergschen Jagd, war daß man seinen wirklichen Namen kaum am Morgen darauf verschwunden. kannte. Der „rote Filz“ war ein Zweck¬ Die Jäger machten verzweifelte Ge¬ schmiedmeister im „Holz“ bei Steyr, ein sichter und getrauten sich kaum die Sache dem Förster zu melden, der in heftigen wohlhabender Mann von gutem Gehaben, fröhlich, gutherzig, der keiner Fliege etwas Zorn geriet. „Das war der „rote Filz' und kein zuleide tat, und niemand hätte es auch nur anderer“, meinte der Oberförster und bald geahnt, daß er der größte und gefürchtetste Wilddieb in und um Stadt Steyr sei erschien eine gerichtliche Kommission im auf den die Lambergischen Revierjäger Hause des Zweckschmiedmeisters und hielt förmlich Jagd machten. Oft und oft Hausdurchsuchung, natürlich ganz ver¬ wurde auf ihn geschossen, er entkam aber gebens. Trotzdem wurde der „rote Filz' im Schloß gefangen gesetzt!), wo er ein immer dem tödlichen Blei. Daher hatten halbes Jahr saß, gehörig geschunden wurde die Jäger eine förmliche Scheu vor ihm und beharrlich leugnete. Kaum wieder und im Volke verbreitete sich der Glaube, der „rote Filz“ sei unverwundbar, 9 Die Sache spielt ganz am Anfang des 19. Jahr hunderts, damals konnte sich es der Herr Fürst schon er¬ und das Hochwild sowie das niedere Wald¬ lauben den nächstbesten, auf den er „bös“ war, mir nichts getier hatten böse Zeiten. dir nichts einsperren zu lassen. 7

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