Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

52 denn es war wirklich Fritz Neuhaus, der gräflich schaumburgische Förster von Altenhagen gewesen, der's ihm gesteckl hatte. „Na, Minchen, aus den Fingern kann's sich der Förster auch nicht sau¬ gen!“ meinte der Meister, indem er langsam eine Verlegenheitsprise zur Nase führte, „da du's nun einmal weißt, na ja, der hat's mir gesagt, der ganze Flecken wüßt' es ja, daß unser Dortchen und der Obergesell' Liebesleut' seien!“ „Die giftige Kröte!“ rief die Frau zornig. „Gott verzeih' mir die Sünd' aber sein gottloser Mund wird ihm noch die Schandsteine oder den Pranger für seine Verleumdungen einbringen! Aber du, Hangörg, bist du ein Mann, läßt dich von solch' einem Kerl aufhetzen und glaubst gar dem albernen Geschwätz? Was tut's so großes, wenn der Ober¬ gesell, der im ganzen Flecken den besten Leumund hat, in allen Ehren unser Dort¬ chen von der Spinnstube abholt und nach Hause geleitet? Hast du das nicht als Bursch auch getan und hast nichts Unrechtes darin gesehen?“ „Na, so hör' mich doch erst zu End', Frau!“ rief der Meister ärgerlich, ich hätt's ja ihm nimmer geglaubt, aber wie ich so bei meinem Spielchen sitze, kommt der Köhler, der Meister von Bühmanns Hans heran, und sagt: „Hör 'mal, Ge¬ vatter, über vier Wochen, so Gott will, halte ich meinem Lieschen die Hochzeit, und mein Obergesell' soll, weil er wirk¬ lich ein braver Mensch ist, mit unter den Brautburschen gehen; ich hab' nun ge¬ dacht, da könntest du mir die Freud machen und dein Dortchen, die ja unter den Brautjungfern ist, mit dem Hans, der sie gar gern mag, zur Kirche und zum Tanz gehen lassen!“ Da war's mir doch gerad' bei seiner Red' als wenn mir einer einen Kübel kalt' Wasser über den Rücken gösse, und doch konnt' ich ihm nicht grob antworten, um's nicht mit ihm zu verderben. Aber da hatt' ich den Be¬ weis, daß die Sache mit der Liebschaft schon richtig wäre! — Nun,“ meinte der Alte nach einer Weile verwundert, „du sagst ja gar nichts, findest wohl am Ende nichts dabei?“ „Wenn du's wissen magst,“ versetzte Frau Wilhelmine ruhig, „nein, ich finde gar nichts dabei, es freut mich dabei nur das eine, daß Meister Köhler dem Hans ein so schönes Zeugnis gegeben hat. Siehst du, mein Alter, das macht mir die meiste Freud'!“ Der Meister sprang entrüstet vom Stuhl auf. „Na, da soll mich doch dieser und jener — du hältst es wohl gar noch für eine Ehre, daß der Herr Gesell' sich vor allen Leuten um deine Tochter be¬ wirbt! Na, das wird ja wirklich alle Tage besser!“ „Aber was ereiferst du dich so, lieber Hangörg?“ sagte die behäbige Frau, ohne ich in ihrer Ruhe stören zu lassen, „eine Unehre ist's doch sicher nicht, wenn der bravste Bursch des Ortes unser Dort¬ chen zum Tanz fuhrt?“ „Ei, es schickt sich nicht, daß ein Ge¬ sell', der nichts ist und nichts hat, bei einer solchen Gelegenheit, wie eine Hoch¬ zeit ist, eine Bürgers= und Meisters¬ tochter am Arme hat!“ rief der Meister heftig, „nur Bürgers= und Meisters¬ söhne haben das Recht!“ „Na, wenn du so kleinlich denkst, meinte Frau Wilhelmine, „dann schlage die Einladung ab und laß Dortchen da¬ heim bleiben; aber sagen will ich's dir gleich, klug handelst du nicht und recht auch nicht! „So, meinst du?“ polterte der Alte zornig heraus, „dann wird man aber wenigstens in Steinhude sagen, daß Meister Hangörg in seinem Hause das Regiment hat, und nicht die Frauens¬ leut'! Dörte geht nicht zur Hochzeit, und damit basta!“ Damit schritt er zur Tür hinaus, krachend fiel dieselbe hinter ihm ins Schloß. Die Frau Meisterin blickte ihrem unwirschen Eheherrn einen Augenblick schweigend nach, dann nahm sie ihr Spinnrad, netzte vorsichtig den Faden und— lächelte über ihren lieben „Tyrannen“.

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