Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1908

der Obergeselle das Weberhandwerk nur zum Zeitvertreib übte und eigentlich ein Prinz sei, der unter den Mädchen des Landes seine Prinzessin suchte. Wie sie dann lachen wollte, wenn erst die große Staatskarosse vor dem Hause des Vaters halten würde, und was die guten Stein¬ huder dann staunen sollten! 2. Am anderen Morgen war Meister Wambach recht chlechter Laune; Frau gleich das ihrem Alten Wilhelmine hatte 2 225 6 Snn S□ * 8 12 angemerkt, als er beim Morgentisch Dortchen schalt, daß sie die Grützsuppe habe anbrennen lassen, die seit dem lan¬ desherrlichen Verbot von anno 1740 wieder an Stelle des ausländischen Kaffees hatte treten müssen. Als Dort¬ chen weinend die Stube verlassen hatte, legte sich die Frau Meisterin ins Mittel und sagte: „Aber, lieber Hangörg, du tust ja dem armen Mädchen unrecht. Die Suppe ist gar nicht angebrannt, du jedoch bist schlechter Laune, und da schmeckt dir eben alles nicht! Nun sag 'mal offen, bist du 51 krank oder ist dir sonst etwas Ungeschick¬ tes begegnet?“ Der Meister hatte den Kopf in die Hand gestützt und erwiderte mürrisch: „Ei, zum Henker, soll einem nicht die Galle überlaufen, wenn man im Wirts¬ haus hören muß, daß so ein Ding, wie die Dörte ist, schon eine Liebschaft hat! 's kommt aber alles von dem ewigen Spinnstubenlaufen und der geringen Aufsicht, die du über das Mädchen hältst!“ —— S S „So, so?“ nickte Frau Wilhelmine. „Also daher das Wetter, das bei dir schon den ganzen Morgen im Anzuge war! Nun, und wer war denn der Ehren¬ mann,“ fuhr sie gereizt fort, „der bei dir gewagt hat, vom Dortchen Schlechtes zu reden? He, 's war wohl wieder der Jäger=Fritz, der vor Neid bersten möcht', weil ihn keine Dirn leiden mag? Der Alte fühlte den bitteren Vorwurf der in den Worten seiner Frau lag, wohl heraus; es war ihm unangenehm, daß sie gleich den Nagel, wie man so zu sagen pflegt, auf den Kopf getroffen hatte, 4*

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