Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

102 seine Lippen, als er jetzt denjenigen anblitzte, der ihn verspottet hatte. Aber gleich dar¬ auf waren seine Mienen wieder ruhig und fast mit Wohlwollen sagte er zu Reta: „So du das Tier nicht als Geschenk von mir magst, gebe ich es dir in Pflege wir werden uns darüber einigen können ist der Bär erwachsen ist es recht so? „Ja, erwiderte Reta, welche bereits mit dem Eigensinn eines Kindes an dem kleinen Tiere hing, und sah den Avarenzu¬ stimmend an, „also teilen wir jetzt ist das Bärlein in meiner Obhut undes soll ihm nichts geschehen, ist es erwachsen, magst du ihn dir nehmen — gehen wir Rupprecht!“ „Halt“, gebot jetzt der Avare „ich bekomme für mein Eigentum vorher von euch ein Pfand!“ Und er lächelte eigen. „Ich verstehe dich nicht“ meinte Reta, ihn fragend ansehend. „Ein Pfand, sagte ich“ erklärte der Avare, „auch ich nehme kein Geschenk an, wenn ich nicht weiß wofür! Ihr gebt mir ein Schwert für den Bären als Pfand „Geiseln haben keine Waffen zu tragen und du bist ein Geisel“, sagte jetzt Rup¬ precht, aber nicht rauh oder verletzend denn als ein freier Mann wußte er es zu würdigen, wenn es den Avaren nach einer Waffe gelüstete. Du bist nicht so töricht wie du jetzt sprichst“, sagte der Avare, ebenso im Ton wie Rupprecht, „nicht zum Prunk ver¬ lange ich ein Schwert zum Pfand für den Bären, sondern zum Schutz für euch und auch für mich! Und als er die erstaunten Gesichter der Umstehenden bemerkte, fuhr Zauch fort: „Hat nicht eine Bärin ihr Junges verloren und wird sie es nicht suchen und in ihrem Schmerz und ihrer Wu zerfleischen und zerreißen, was sie auf der Suche nach ihrem Jungen findet? Die Bärin wird eure Wohnstätte um¬ kreisen und euch töten, wagt ihr euch zur Arbeit aus euren Gehöften heraus, und die Bärin wird mich in der Höhle droben unterm Stein aufsuchen. Das Schwert, so ich als Pfand für meinen Bären begehre wird euch und euren „Geisel“ beschützen vor dem Grimm eines gereizten wilden Tieres Er hatte das Wort „Geisel“ stark betont — sie wußten alle, daß sie für sein Leben verantwortlich waren, aber auch für die Sicherheit der Ihrigen. „Du sprichst sehr vernünftig, Zauch“, brach endlich Rupprecht das Schweigen das nach des Avaren Worten eingetreten war, „ich anerkenne die Richtigkeit dessen —aber, wer soll was du jetzt sagtest dir ein Schwert geben? Weiber tragen bei uns selten Waffen und besitzen solche für gewöhnlich nicht als Eigentum, auch Reta ist keine Schwertträgerin! „So gib du mir dein Schwert als Pfand für Reta“, lächelte der Avare ganz eigen, „Reta und du scheint mir ja doch so viel wie eins zu sein!“ Die Umstehenden lachten wohl nicht laut auf, sie schmunzelten nur. Sie wußten, daß die beiden jungen Leute doch einmal ein Paar werden und des Priesters Segen sie verbinden würde fürs Leben — auf so einem kleinen Raume, wie der war, worauf die An¬ siedelung stand, und unter so wenig Menschen, wie hier zusammen wohnten konnte junge Liebe nicht verborgen bleiben, und Reta und Rupprecht waren sich in jeder Beziehung ebenbürtig undfür einander wie geschaffen. Reta sah verwirrt zu Boden und hohe Glut übergoß ihre frischen Wangen, auch das Antlitz Rupprechts färbte sich dunkel, aber, rasch gefaßt, brachte er sich und seine von ihm bisher nur stumm verehrte Jugendgespielin aus der ihnen peinlichen Sache heraus, indem er sein Schwert abnahm und, es dem Avaren reichend, bedeutungsvoll sagte: „Nimm hier mein Schwert als Pfand für das Bärlein und als Waffe zum Schutz für dich und uns, aber, merke wohl, Avare, du bist jetzt auch in meinem — Schutz als mein Waffengefährte dies Schwert ist ehrlich! Rasch griff der Avare nach der Waffe, gürtete sich das Schwert um und freudig

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