Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

und ihn sich auf den Kopf hebend, „hat sich eine Kuh verlaufen?“ „Nein, das nit“, sagte sie, hob sein Schwert und das Körbchen auf und schritt hinter ihm am Pfade gegen die Siedelung zu, „eine Kuh zu fangen, dazu brauche ich dich nicht. Ich war vor einer Stunde, so etwas, beim Turm oben, Holz holen und stöberte beim großen Stein vor der Höhle herum, an welche der Turm an¬ gebaut ist, — hörte ein ganz eigen Ge¬ brumme. 7 Ei sagte er ruhig, da ihn seine Last hinderte den Kopf zu wenden,„wo der Avare haust! Ist ja wieder seit zwei Tagen nit zu Haus, der eigen Mensch! „Ja, sonst wär ich doch nit oben gewesen — war neugierig, von wegen der seltsamen Laute, denk dir, Rupprecht, dort lag ein Bär. „Was?“ Er blieb stehen, wandte sich zu dem Mädchen und sah Reta un¬ gläubig an „Na, kein großer Bär“, beeilte sie sich zu erwidern, „so ein kleines Bärlein so so —groß. Und sie bückte sich und bezeichnete mit dem Schwerte die Höhe des Tieres, das sie gesehen hatte „Donner — also ein Bärenjunges sechs bis acht Wochen alt“ fragte Rup¬ precht mit leuchtenden Augen ihr zusehend „Ja, so etwas wird's wohl gewesen sein — Rupprecht, den müssen wir haben lebend haben, er ist so herzig! „Bist wohl nit recht gescheidt“, sagte er lebhaft, „was tun wir im Hofe mit einem jungen Bären?“ „Was? Ich zieh ihn auf, werden ja so zahm! Der arme Schelm hat sicher seine Frau Mutter verloren und kommt dort oben um — wenn du nicht willst, hol ich mir ihn allein! „Wenn er nur noch dort ist“ meinte Rupprecht, stellte den Wasserkübel an die Umfassungsmauer der Ansiedelung, wo sie jetzt angelangt waren, und nahm sein Schwert von ihr entgegen „Wir können ja nachsehen, sagte Reta, „ist doch nit weit hinauf Er nickte und beide wanderten um 99 die Mauer herum zum Turm hinauf Dieser Turm stand auf einem kleinen Vorsprung, mitten unter Steingerölle, am Hange hinter ihm lag ein großer Felsblock, der vom Berge einst herabge¬ fallen zu sein schien, und verdeckte fast den Eingang zu einer kleinen Höhle. Rupprecht sah forschend herum. „Ja, da, hier beim Stein lag das Bärlein“, sagte Reta, „ist vielleicht in die Höhle hinein! „Hm“, machte es Rupprecht, „und wenn die Alte dabei ist? Hab nichts wie das kurze Schwert mit. Reta schien das nicht bedacht zu haben „Die Höhle ist nicht tief“, sagte Rup¬ precht, „wollen sehen. Er brach einen langen Ast von einem Baume und trat zum Felsblocke, dann tupfte er mit dem Ast in die Höhle hinein. Bald ließ sich ein leichtes Brummen hören „Er ist noch da“, sagte Rupprecht leise, „so brummt nur ein junger Bär, acht! gib Ein Knacken und ein Geraschel ließ sich vernehmen, dann ein Gestrampfe und um den Stein herum guckte ein junges Bärlein und besah sich neugierig seine Quäler. „Schnell, Reta, auf die andere Seite dort vom Stein“, rief Rupprecht wie im Fieber hastig, „laß ihn dort nicht durch und wir haben ihn! Reta war pfeilschnell auf der ent¬ gegengesetzten Seite des Felsstückes, Rup¬ precht wand sich durch das Gestrüpp und haschte nach dem Bärlein, das sich ihm entwand und um den Stein herum auf Reta zulief, die ihn mit ausgestreckten Armen empfing. Das Bärlein brummte und kratzte und biß, aber Reta ließ nicht locker und schon war auch Rupprecht da, faßte das Tier am zottigen Fell und so zogen sie ihn um den Stein herum zum Turm heraus. „Halt ihn nur“, sagte Reta fast atem¬ los, „ich hol einen Strick aus dem Turm. Und wie der Wind war sie beim Türlein im Turme drinnen und kam schon wieder heraus mit einem Strick in 7*

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