Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

54 Entschluß; es ist noch nicht aller Tage Abend und es wird wohl noch viel Wasser den Rhein herunterfließen, ehe der Gram Adam Veltens einzig Tochter¬ lein ins Kloster treibt. Sieh, Margret dein Vater will doch nur dein bestes dein Wohl allewege. Wollen's in Ruhe überlegen, ich und die Mutter, und nun steh auf, geh hinüber nach deiner Kam¬ mer und beruhige dich, mein Kind!“ Margaret stand auf und küßte schwei¬ gend dem Vater die Rechte. Als aber Mutter und Tochter das Zimmer ver¬ lassen hatten und die Tür sich langsam 7 hinter ihnen schloß, brückte der ernste Mann das Gesicht in die Hände und eine verstohlene Träne verriet, wie sehr ihn die Unterredung ergriffen hatte. Am Vorabend des ersten Turnier¬ tages saß Bodo betrübt in seiner Her¬ berge, als der v. Dürkheim, der wackere Reiner, plötzlich hereingestürzt kam und Kappe und Handschuh heftig zu Boden warf, daß der große Wolfshund, aus dem Schlafe emporgeschreckt, laut an¬ schlug. C „Junge,“ rief der Alte und faßte den Freund mit beiden Händen an den Schultern, „Junge, hast du ein Gluck! Unsereiner, der seit zwanzig Jahren dem Herrn dient und in manchem Streit ihm treu zur Seite stand, ist wie ver¬ gessen und verschollen, sobald der Friede da ist, und solch einem jungen Burschen fällt die Gnade in den Schoß!Na Bodo, mein Junge, du weißt, ich gönn es dir!“ Fast atemlos hatte er die Worte her¬ vorgestoßen, die helle Freude leuchtete auf seinem wettergebräunten Antlitz. Bodo war zuerst sprachlos. „Ich ver¬ tehe dich nicht“ sagte er endlich. „Treibst du deinen Spott mit mir, Reiner? Ich bin wahrlich nicht zum Scherzen auf¬ gelegt!“ „Junge, Junge, 's ist kein Scherz, du bist wirklich ein Gluckskind eigener Art. Ich wollt' ja eben der Erste sein, der dir's kündet, bin drum so gelaufen. Aber das sag ich dir, die Nachricht kostet dich dafür ein halbes Stückfaß, und wenn's einen Monatssold gilt! „Aber, so sprich doch wenigstens, 7 Reiner. Ich weiß wirklich nicht „Woher sollst du's denn auch wissen. Hab's ja eben erst vom Treitzsauerwein, dem Geheimschreiber, als ich ihm auf der Gasse begegnete. Also höre: der König und der Sekretarius hatten oben die Sachen mit dem Turnier geordnet, und da soll der Herr ganz Gift und Galle gewesen sein wegen des Franz¬ 11 mannes, geschworen hat er „Aber, liebster Reiner, ich weiß wahr¬ lich nicht, was mich das angeht. „Sei doch nicht so ungeduldig, gewiß geht dich's an. Haben also die Beiden besprochen, wer des Königs Schild¬ träger sein soll bei dem Turnier, und hat der Treitzsauerwein dem Herrn die Liste der Ritter vorlegen müssen und mit einem Strich die bezeichnet, welche er so in seinem Sinn als Schildträger sich gedacht hat: den Waldstetten und den Clever und die beiden v. Zollern. Der Herr aber hat immer mit dem Kop geschüttelt, und da ist die Liste weiter¬ gegangen bis zu deinem Namen. Da hat er plötzlich aufgeschaut und gesagt: „Den Scharffenstein will ich, keinen anderen. Ich bin ihm schon lange Dank schuldig!“ Der Max dir, Junge, ver¬ stehe das, wer es kann! Aber Glück wünsch' ich dir von ganzem Herzen!“ Dem jungen Ritter war das Blut ins Gesicht gestiegen. „Hab' Dank, Freund Reiner, für deine Nachricht 's ist eine hohe Ehre und ich weiß nicht, wie ich's verdient habe, der König war mir frei¬ lich immer ein gnädiger Herr!“ „So laß ich dich nicht los, Bodo. Erzählen mußt du mir, was das auf sich hat mit des Herrn Dank.“ „Ich sag dir ja, Reiner, ich weiß es selbst kaum. Aber der Reiner ließ nicht locker, und wohl oder übel mußte Bodo endlich mit seinem Bericht heraus. „Ihr waret vor fünf Jahren nicht mit uns beim König, sondern in Gent, wenn ich mich recht erinnere, als wir die

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