Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

50 bewußt waren. Munter flogen die Scherzworte an der langen Tafel her¬ über und hinüber, und als gar der v. d. Weide eines seiner lustigen Lieder angestimmt hatte und die Genossen jubelnd einfielen, konnten die flinken Kellerburschen nicht schnell genug eilen die leergewordenen Pokale immer wieder rechtzeitig neu zu füllen. Nur Einer saß schweigsam und trübe blickend weit unten am Ende der Tafel. Es war ein schmucker Bursch, das fest¬ gegürtete Leibkoller paßte ihm wie an¬ gegossen, und der blonde Bart um¬ rahmte ein männlich schönes Gesicht mit ein Paar treublauer Augen, wie sie die deutschen Frauen und Mädchen von jeher geliebt haben. Aber wo viel Lieb, da auch viel Leid; das hatte auch Bodo v. Scharffenstein erfahren, und das ließ ihn jetzt sein Haupt so trübselig in die schwertgewohnte Rechte stützen und seinen Blick matt und müde über die zechende Freundesschaar hinweggleiten. Neben ihm hatte ein älterer Genosse Platz genommen; eng rückte er den hoch¬ beinigen Sessel an den Freund heran und redete ihm leise, aber eindring¬ lich zu. „Schlag dir die Geschichte aus dem Sinn, mein Junge, es ist nicht gutfür junges Ritterblut, sich das Herz schwer zu machen und den Kopf hängen zu du lassen. War auch ’mal so jung wie bis und dachte immer: Sie oder keine! es schließlich keine geworden ist, was mir, wie du siehst, ganz gut bekommt! meinte er, und strich sich lachend den langen Schnauzbart. „Du bist ein schlechter Tröster, Reiner. Ich bitt' dich, laß mich, ich kann's ein¬ mal nicht verwinden, so schnöde abge¬ fertigt zu werden. Nicht nur, daß er mir die Margret nicht zur Frau geben will, sondern wie er mich abwies, das macht mir das Blut sieden und drückt mich zugleich darnieder. An der Margret verzweifele ich nicht, sie bleibt mir treu — er!“ und gewogen, aber er Der andere lehnte sich weit zurück und klopfte auf seine Tasche. „Da sitzt's, mein Junge, da sitzt's. Wärst du auch solch ein Pfeffersack und hättest in Augs¬ burg oder Nürnberg oder hier am Ort dein Geschäft und Haus und Hof, an¬ statt deines alten Nestes von Burg, die dir dein Vater selig allein hinterließ und in der nicht Eule noch Uhu zeit lebens hausen möchte, wär' seine Ant¬ wort wohl anders gewesen. Aber dank deinem Herrn, daß du's nicht bist; besser des Kaisers ärmster Dienstmann, als solch ein Krämergesell und Geldmacher Und weißt du,“ fuhr er fort, als jener immer noch schwieg, „laß uns erst hier fort sein aus diesen engen Mauern, laß uns nur erst wieder im Felde stehen T sei's gegen die Wälschen oder die Turken dann wird dir das Blut auch wieder leichter werden und der Kopf klarer! Der Jüngere horchte auf. „Ist's denn wahr, was sie sagen, daß es bald los¬ gehen soll? Wäre mir schon recht, ich wollte jetzt mehr als je drauf los¬ schlagen, wär's auch nur, um ein tüchtig Stück Beutegeld heimbringen und den E Alten den Bettel vor die Fuße werfen zu können. Aber es wird wohl wieder nur Gerede sein; sie machen nichts als schöne Worte dort oben im Reichstags¬ saal und schimpfen, daß nichts geschieht aber wenn der Max Geld haben will — um die französischen Großmäuler aus Italien heimzujagen und sich sein Rech zu wahren, dann schnüren sie den Beutel zu und lassen's gehen, wie's will. „Hast recht, Bodo, 's ist zum Jam¬ mern, als ob sich mit leerer Tasche Krieg führen ließe. Aber diesmal scheint's doch zu was rechtem zu kommen. Der Herr wirbt schon jetzt unter der Hand überall, und die meisten Fürsten haben ihm auch ihren Beistand zugesagt, da „ mussen die anderen wohl oder übel dies¬ mal mit. 's ist ja aber auch nicht mehr zum Ertragen mit den Wälschen. Du weißt wohl noch gar nicht, was heute geschehen ist? Scharffenstein schüttelte verneinend den Kopf.

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