Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

40 „Was, um die Zeche hat er dich ge¬ prellt? „So halb und halb. Sonst wär er längst wiedergekommen, wie er's ver¬ sprochen. Bin noch froh, wenn ich das Pfand anbring'. Sag' mal, kannst du vielleicht eine billige Hose brauchen? Der „Blaue Himmel“=Wirt wurde feuer¬ rot und rückte ärgerlich seinen Stuhl. „Billige Hose! — du weißt doch nicht gar und willst mich verulken — „Was hast du denn? Ich verstehe dich nicht. Es ist mein völliger Ernst. Gleich sollst du's sehen.“ Er sprang auf und kehrte einen Augenblick später mit einem schon etwas abgetragenen blau und chwarz gestreiften Beinkleid zurück. Was soll's mit der Hose?“ fragte ärgerlich der Hotelier. „Das ist ja das Pfand, das ich dem Zechpreller abgenommen habe. Um acht Mark fünfzig Pfennige kannst du sie haben.“ „Eine Hose als Pfand?“ Herr Schütz dämmerte ein furchtbarer Gedanke auf. „Um Gottes willen, erzähle.“ „Was ist da viel zu sagen. Wie der schwarzbärtige Gast zur Polizeistunde immer noch dasitzt, bittet mein Ober¬ kellner um Zahlung. Da kommt's heraus, der Kerl, der sonst ganz an¬ tändig aussah, hat sein Geld vergessen. Morgen will er's bringen. Aber der Mensch kann weder eine Uhr, noch einen Ring dalassen. So fall' ich auf den Schwindel nicht herein und verlange als Pfand seinen langen, eleganten Winter¬ mantel. „Bei der grimmigen Kälte, das können Sie nicht verantworten,“ sagt er, „wenn Sie wollen, laß ich Ihnen was anderes da „Aber was denn, Sie haben ja nichts.“ „Wenn es sein muß — meine neue Hose. „Können Sie denn ohne Hose nach 77 Hause gehen: unter dem langen Mantel und „O, — bei den hohen Stiefeln sieht man von der Unterhose nichts.“ „Die Sache leuchtete mir ein. Ich hatte Mitleid mit dem Menschen, hieß ihn ins Kontor treten und sich ankleiden. Wirk¬ lich ist er ohne Hose fortgegangen, aber man hat nichts gesehen. Herr Schütz schüttete sein Glas auf einen Zug hinunter. In seinem Gesichte zuckte es, eine seltsame Mischung von Wut und Galgenhumor. „Nein, gesehen hat man wirklich nichts.“ Der Weinwirt sah ihn erstaunt an. „Woher weißt denn du das?“ „Weil dein schwarzbärtiger Zechpreller gleich darauf in den „Blauen Himmel“ gekommen ist und sich ein Zimmer ge¬ mietet hat. Weil ich Esel ihm selbst eine neue Hose gekauft und ihm noch zwanzig Mark dazu geschenkt habe.“ „Du, ich glaube, mein Wein ist dir zu stark. „Wollte, es wäre so! Aber was ich dir sage, ist nüchterne Wahrheit. Und das ist ja gerade mein grenzenloser Aerger. Deine Geschichte hat ihn noch verzehn¬ facht. So hereingefallen ist noch kein Mensch! „Aber so rede doch.“ „Nur wenn du eine Flasche „Edel¬ trank“ spendierst. Die Kehle ist mir wie ausgetrocknet. Du kommst noch billig da¬ von — denn du mit deiner gepfändeten Hose bist an der ganzen Geschichte, die mich fünfunddreißig Mark und ein Portemonnaie gekostet hat, schuld. O, dieses Unglückszimmer!“ Grauvogel ließ der zweiten noch eine dritte Flasche folgen. Die Geschichte des „Blauen Himmel“=Wirts war auch zu lustig. So hatten sie noch selten gelacht, nachdem einmal der beiderseitige Aerger überwunden war. Als Schütz endlich nach Mitternacht aufbrach, händigte ihm der Restaurateur die verhängnisvolle Hose ein. „Schenke sie deinem Johannzur Erinnerung. Der Bursche hat dich oft genug wegen der Nr. 13 gewarnt und eine Belohnung verdient. „Das hat er. Ich lasse mir's zur War¬ nung dienen. Und fortan gibt es im „Blauen Himmel“ nur noch die Zim¬ mer 12 und 12a.

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