Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1907

„Behauptet —“ brauste der Reisende auf, „Tatsache ist's, daß meine Hose ge¬ stohlen „Gestohlen,“ rief erblassend der Wirt, „unmöglich, Herr, in meinem Hause wird nichts gestohlen. —7 „Aber die Hose ist doch nicht da „Erlauben Sie, wenn die Hose nicht ist, so da „Unverschämtheit! — Wollen Sie viel¬ leicht sagen, daß ich ohne Hose zu Ihnen gekommen bin!“ „Gewiß nicht. Aber die Sache ist mir unbegreiflich. Sollte sich wirklich ein Spitzbube eingeschlichen haben?“ „Wird wohl nicht anders sein. Viel¬ „ leicht, daß einer Ihrer Gäste „Bitte, bei mir logieren nur anstän¬ dige Leute. Der Fremde lachte höhnisch auf. „Das wird sich ja zeigen; ich verlange, daß Sie bei allen Zimmernachbarn Haus¬ durchsuchung „Um Gottes willen“ fiel ihm der Hotelier ins Wört, „das würde das ganze Renommee meines Hauses ruinie¬ ren. Bitte, sprechen Sie nicht so laut. Ich bin ja bereit, Ihnen den Schaden zu ersetzen.“ „Also eine neue Hose, — aber auf der Stelle, — ich muß fort.“ „Werde sogleich ins gegenüberliegende Kleiderlager schicken. Johann, laufen Sie, man soll einige Hosen zur Aus¬ —7 wahl „Damit ist es nicht abgetan,“ sagte der Fremde, während der Hausdiener davonsprang, „in der Hose steckte mein Portemonnaie — mit zwanzig Mark. Ich vergaß es herauszunehmen.“ „Das ist Ihre Schuld, mein Herr. — Sie haften für „Durchaus nicht, alles, was mir in Ihrem Hause abhan¬ den kommt. Wenn Sie sich weigern, mache ich die Anzeige.“ Dem dicken Hotelier trat der Schweiß auf die Stirn. Der 820 „Das verwünschte Zimmer! Johann hat doch recht. Vor drei Wochen erst ist mir einer daraus durchgebrannt,“ murmelte er. 39 „Entscheiden Sie sich,“ drängte der Reisende, „ich verlange vollen Ersatz, oder „Mein Gott, schreien Sie doch nicht so. hier nehmen Sie. Ich bin ja bereit, das sind zwanzig Mark. Aber — „Gut, ich trage mein Geld nicht ohne Porte¬ monnaie in der Tasche.“ auch das noch!“ „Meinetwegen, Herr Schütz entleerte sein Portemonnaie und reichte es dem Fremden. „Jetzt sind Sie aber zufrieden „Bis auf die Hose „Da kommt der Johann schon mit dem Kommis.“ Der Reisende zog sich auf das Zimmer zurück. Wenige Minuten später verließ er in neuem eleganten Beinkleid, eben noch rechtzeitig zum Zug, den „Blauen Himmel“, während der Wirt seufzend den Einkauf bezahlte. * * * Der Weinrestaurateur zum „Echten Pfälzer Tropfen“ rieb sich vergnügt die Hände, als am Abend der „Blaue Him¬ mel=Wirt“ bei ihm eintrat. „Ei, das ist schön. Läßt dich auch 'mal wieder blicken, altes Haus!“ „Muß wohl. Solchen Aerger kann ich nur mit dem guten Wein unserer Heimat hinunterspülen. Also fahr' was Feines auf!“ Herr Grauvogel brachte selbst die Flasche. „Pfälzer Edeltrank“ und zwei Gläser. Erlaubst doch, daß ich dir Gesellschaft leiste.“ „Natürlich, — da vergißt man sein Pech leichter.“ „Hast denn wirklich solchen Aerger ge¬ habt?“ * „Im Geschafte, ja,“ brummte Schütz, den goldigen Wein kostend. „Mein Gott, das geht ja jedem so.“ „Dir auch?“ „Erst gestern abends. Denk' Wunder was für einen feinen Gast ich habe. Ißt und trinkt für acht Mark fünfzig Pfennige und nachher hat der Kerl kein Geld.“

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