Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

74 starb in seiner Villa bei Fiume Erzherzog Josef, der „ungarische Erzherzog“. Er war, ein Sohn des einstigen Palatinus Josef, am 2. März 1833 in Preßburg geboren. Am 13. Mai 1905 wurde Prinzessin Karo¬ line Marie Immaculata, Gattin des Prinzen August Leopold von Sachsen¬ Coburg, einer Prinzessin entbunden, welche in der Taufe den Namen Leopoldine Blanca erhielt. Am 12. Juni 1905 meldete die „Wiener Zei¬ tung“, daß der Kaiser mit Handschreiben vom 8. Juni 1905 den Mitgliedern des fürstlichen Hauses Hohenberg für ihre Person sowie für ihre ehelichen Nachkommen das Prädikat „Durchlaucht“, ferner der Fürstin Sophie Hohenberg, Gattin des Erzherzogs Franz Ferdinand von Oesterreich=Este, für ihre Person am Hofe den Rang vor der mit den Funktionen einer Obersthofmeisterin an demselben betrauten Palastdame verliehen hat. Letztere Verleihung ist als offizielle Deklarierung der Zugehörigkeit der Fürstin zum Hofe der Habsburger aufzufassen. Hier sei auch einer Affäre Erwähnung getan, welche durch Monate die allgemeine Aufmerk¬ samkeit erregte und welche, wenn auch nicht ein Mitglied des Herrscherhauses, so doch eine Per¬ önlichkeit betrifft, welche als Schwester der ehemaligen Kronprinzessin Stefanie und jetzigen Gräfin Lonyay doch in nahen Be¬ ziehungen zum Herrscherhause steht, der Affäre der Prinzessin Luise von Sachsen¬ Coburg und Gotha. Mit Beschluß des Obersthofmarschallamtes in Wien vom 3. Juni 1899, Z. 715, war über Betreiben ihres Gatten, des Prinzen Philipp von Sachsen¬ Coburg und Gotha, und auf Grund des von der medizinischen Fakultät der Wiener Universität bestätigten Gutachtens der gerichtlich bestellten Sachverständigen über die Prinzessin Luise von Sachsen=Coburg und Gotha, geborenen königlichen Prinzessin von Belgien, wegen Schwachsinnes die Kuratel verhängt worden. Auf Grund dieses Beschlusses,gegen dessen Begründung die Prinzessin unermüd¬ lich Verwahrung erhob,wurde die Kurandin in verschiedenen Sanatorien und deren Dependenzen interniert gehalten. Im August 1904 weilte die Prinzessin in Bad Elster, woselbst sie unter Aufsicht eines Arztes aus dem Dresdener Sanatorium des Geheimrates Dr. Pierson und eines diesem beigegebenen Wächters in dem Hotel „Wettiner Hof“ wohnte. Am 31. August 1904 gelang es nun der beobachteten Internierten unter Beihilfe werktätiger Freunde aus Bad Elster zu ent¬ fliehen. Das Ziel der Flucht war Paris, wohin die Prinzessin auch glücklich gelangte. Von hier aus betrieb die angeblich Schwachsinnige mit aller Energie die Wiederaufnahme des Kuratel¬ bestellungsverfahrens und ihr Bemühen war von Erfolg begleitet. Am 4. Oktober 1904 ver¬ fügte das Obersthofmarschallamt die neuerliche Prüfung des Geisteszustandes der Prinzessin; am 22. desselben Monats wurden die Herren Dr. Valentin Magnan, Chefarzt und Leiter der staatlichen Irrenanstalt St. Anne in Paris, und Dr. Paul Garnier, psychiatrischer Sach¬ verständiger der Pariser Gerichte und der dor¬ tigen Polizeipräfektur, als Experten bestellt, und das Tribunal de la Seine in Paris um die Vornahme der Prüfung des Geisteszustandes der Prinzessin ersucht; am 23. Mai 1905 gaben die Experten Magnan und Dr. Paul Dubuisson, Chefarzt an der Anstalt St. Anne, welcher an Stelle des inzwischen ver¬ torbenen Dr. Garnier vom Obersthof¬ marschallamt zum zweiten Experten bestellt worden war, nach vorausgegangener Beeidigung auf Grund längerer und eingehender gewissen¬ hafter Beobachtung des Geisteszustandes der Prinzessin ihr eingehend motiviertes Gutachten dahin ab, daß die Prinzessin geistesgesund und fähig sei, ihre Angelegenheiten selbst gehörig zu besorgen und daß demgemäß auch kein Anlaß ür deren Internierung in einer geschlossenen Anstalt vorliege. Auf Grund dieses Gutachtens wurde vom Obersthofmarschallamte am 26. Juni 1905 die über die Prinzessin verhängte Kuratel wieder aufgehoben und damit eine Affäre aus der Welt geschafft, die lange genug Verwunde¬ rung und Aufregung verursacht hatte. Aus der langen Reihe fürstlicher Besuche in Oesterreich in der Berichtsperiode seien hier erwähnt: die Besuche der Könige (Georg und Friedrich August) von Sachsen, von England, von Rumänien — letzterer samt Gattin —, von Griechenland, des Schah von Persien, des Fürsten Heinrich XXIV. von Reuß, des Kronprinzen Friedrich von Dänemark samt Familie, des Prinzen Johann

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