Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1906

Georg von Sachsen, des Großherzogs von Luxemburg, des Sultans von Zanzibar und des Prinzregenten Luitpold von Bayern. Dem Besuche des Königs Friedrich August III. von Sachsen kommt insoferne eine besondere Bedeutung zu, als er wohl als der Ausgangspunkt für die endliche Schlichtung des Konflikts mit der früheren Kronprinzessin von Sachsen, der Gräfin Montignoso, zu betrachten ist. Die auswärtige Politik Oesterreichs bewegte sich in der Berichtsperiode wieder in den ge¬ wohnten Bahnen. Der Dreibund bildete nach wie vor eine der festesten Grundsäulen des euro¬ päischen Friedens. Wohl bekundeten irreden¬ tistische Blätter Italiens das Bestreben, die Bande, welche Italien an den Dreibund, respek¬ tive an Oesterreich fesselten, als gelockert zu be¬ zeichnen und ein Weiteres zu dieser angeblichen Lockerung beizutragen, aber die Zusammenkunft des österreichischen Ministers des Aeußern, Graf Goluchowski, mit dem italienischen Mi¬ nister des Aeußern, Tittoni, Ende April 1905 in Venedig und das, was über diese Entre¬ vue verlautete, bewies, wie unbegründet die Ausstreuungen, wie wirkungslos die Umtriebe jener Blätter waren. Das Verhältnis zu Ungarn war auch in der hier in Frage stehenden Zeit kein besonders er¬ quickliches. Die ungarischen Aspirationen, welche auf die Vorherrschaft der Magyaren in Oester¬ reich=Ungarn gerichtet sind, die unentwegte For¬ derung nach der magyarischen Kommandosprache, deren Erfüllung die Einheitlichkeit der Armee und damit die Großmachtstellung unserer Mon¬ archie schwer gefährden müßte, das krasse Mi߬ verhältnis zwischen den Machtansprüchen Trans¬ leithaniens und dessen Leistungen für die ge¬ meinsamen Auslagen und so manch anderes Moment lassen eben ein friedliches und erquick¬ liches Nebeneinandersein nicht aufkommen. Wie in den Beziehungen zwischen den beiden Reichshälften die ungarischen Hegemoniegelüste störend einwirkten, so taten dies, was die inner¬ politischen Zustände betrifft, die Hegemonie¬ gelüste der Tschechen in Böhmen. Wohl zwang die Not der Zeit die entzweiten Völker zeit¬ weise sowohl im Reichsrate als im böhmischen Landtage zu einem gewissen Zusammenwirken, auf daß gewisse, der Linderung des Notstandes geweihte Maßregeln, gewisse Staats=, respektive 75 Landesnotwendigkeiten erledigt werden konnten, doch die tschechische Obstruktion im Parlament wie die wohl begründete Gegenobstruktion der Deutschen im böhmischen Landtage war damit nur zeitweise zurückgestellt, aber keineswegs aus der Welt geschafft worden, und ehe nicht zwischen beiden Nationen Böhmens ein auf Grund wahrer Gleichberechtigung, d. h. auf Grund der vollen Be¬ rücksichtigung der berechtigten Ansprüche der Deut¬ ist schen aufgebauter Ausgleich zustande kommt, an eine gedeihliche Entwicklung der innerpoli¬ tischen Verhältnisse Oesterreichs nicht zu denken. Im gemeinsamen Kriegsministerium und im österreichischen Ministerium hat die Berichts¬ periode einige Aenderungen gebracht. Im Oktober 1904 trat der Marinekommandant Admiral Frei¬ herr v. Spaun zurück und an seine Stelle als Chef der Marinesektion des Reichskriegsministe¬ riums rückte sein bisheriger Stellvertreter Vize¬ admiral Graf Rudolf Montecuccoli. Im gleichen Monate vollzog sich auch eine Rekonstruktion im Kabinett Koerber. An Stelle des zurücktretenden Dr. Ritter v. Böhm¬ Bawerk wurde Dr. Ritter v. Kosel zum Finanzminister ernannt. Das Ackerbauporte¬ feuille gelangte in die Hände des Grafen Ferdi¬ nand Buquoy und Professor Hofrat R. von Randa wurde zum tschechischen Landsmann¬ minister ernannt. Ende Dezember 1904 gab der Ministerpräsident Dr. v. Koerber „aus Krankheitsrücksichten“ seine Demission und wurde noch am 31. Dezember 1904 zu seinem Nach¬ folger Freiherr v. Gautsch ernannt. Die übrigen Minister verblieben im Amte und wurden zum Minister des Innern der Statt¬ halter von Oberösterreich Graf Bylandt¬ Rheidt und zum Leiter des Justizministeriums welche beide Portefeuilles Dr. v. Koerber Sektionschef Dr. Franz vertreten hatte — Klein bestellt. Anfangs März 1905 gab der langjährige Landesverteidigungsminister Feld¬ zeugmeister Graf Zeno Welsersheimb eine Demission und wurde zu seinem Nach¬ olger Feldzeugmeister Franz Schönaich ernannt. Graf Welsersheimb hatte das Porte¬ feuille seit fast 25 Jahren, und zwar seit Juni 1880, ununterbrochen inne. Anfangs Mai 1905 gab der Eisenbahnminister Dr. v. Wittek seine Demission und wurde Sektionschef Dr. Ludwig Wrba mit der Leitung dieses Ministeriums betraut. Die scharfe Kritik, welche das Sub¬

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