Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

Leib, warf ihn mitten unter die Kämpfer und sprang mit einem tigerähnlichen Satze in die Flut! Tauchend und schwimmend gelang dem Tollkühnen die Flucht, und glücklich kam er in der Morgendämmerung heim. * * * Die mißglückte Nachtunternehmung war aber ein Dämpfer auf des Hirsch¬ hofers Uebermut, und zwang ihn, sich geraume Zeit ganz still zu Hause zu ver¬ halten! Als aber Monate vergingen, ohne daß ihm von Seiten des Gerichtes irgend eine Unannehmlichkeit erwuchs, da ihn weder Grenzer noch Gendarmen erkannt — hatten, auch die gefangenen Schwärzer beharrlich über ihre entkommenen Ge¬ nossen schwiegen, da wurde sein ver¬ wegener Sinn in ihm wieder übermächtig. Allerdings mied er auch jetzt noch stets beharrlich den Tummelplatz seines ver¬ unglückten „Pasches“, und ließ sich auch nimmer bei Kathi sehen, deren Schindl¬ hof zunächst der Grenzstation lag. Martl richtete diesmal seine Schritte „ nach dem ziemlich fernen Dorf Pfode¬ ring, war ja doch heute auch Fastnachts¬ im sonntag, und da gings bekanntlich zu. „roten Ochsen“, daselbst sehr lustig die Gerade damals politisierten auch Bauern auf den Bierbänken viel und heftig über die neuen Forst= und Jagd¬ gesetze, und auch die Waldler Bauern wurden immer erregter, je mehr sie Bier tranken und den schweren Tabak dazu rauchten; nur, als es in der Abenddäm¬ merung den „englischen Gruß“ läutete, verstummte das summende Geräusch in der geräumigen Wirtsstube, welches dem eines Immenschwarms glich, der sich zum Auszug aus seinem alten Stock rüstet; jung und alt nahm den „Drui¬ spitz“ ab, die Pfeifen aus dem Mund und saß schweigend auf den vom langen Gebrauch geglätteten Bänken. Auch der Hirschhofer verhielt sich ganz ruhig. Als nun der letzte Glockenton leise verhallt war, zündete der Ochsenwirt das selbst¬ gegossene Unschlittlicht an, wünschte sei¬ nen allerseitigen „guten Abend" und 11 die Unterhaltung der Gäste trat wieder in ihre alten Rechte ein! Nun befand sich auch der Dorfschmied im Wirtshaus, ein starkknochiger, him¬ mellanger Bursche, der, wie man so sagt, dem Martl nicht „grün“ war. Der saß ihm gegenüber am gleichen Tische und als nun das Gespräch auf die Ent¬ schädigungen kam, welche von seiten der früheren Grund= und Zehentherrn den Gemeinden zu leisten seien, wurde auch der wohlfeilere Preis des „Viehsalzes besprochen. Martl, wegen seiner Spottsucht be¬ kannt, der er sich in Anbetracht seiner riesigen Körperkraft auch stets hatte un¬ gestraft hingeben können, sagte laut: „Ja, das ist jetzt von allen neuen „Ge¬ setzern“ das beste, daß das „Viechsalz“ so billig ’worden ist, denn gewisse Leut', die so viel davon brauchen, hätten sich N Da bald vouig arm daran 'kauft!“ allbekannt war, daß sich der Dorf¬ schmied schon oft durch recht blitzdumme Stückchen ausgezeichnet und gewiß nim¬ mer das Pulver erfunden hätte, wäre das nicht schon längst geschehen, so lachte alles über diese handgreifliche Anspie¬ lung höchlich erlustigt im dröhnenden Chor zusammen. Der Schmied sprang im flammenden Zorn auf, und bald spielte sich die schönste Rauferei ab, die sich, nachdem der derbe Wirt und sein handfester Hausknecht das Gastzimmer ausgeräumt hatte, auf die Straße ver¬ pflanzte. Draußen in der pechfinstern Nacht war es ganz unmöglich, die an einander Geratenen zu unterscheiden; es ward eben blindlings dreingeschlagen und unter den dörfischen Kämpen leistete der mit einem ausgerissenen Stuhlfuß bewaffnete Hirschhofer Hervorragendes schrill Auf einmal jammerte einer Da auf: „Au wehl i bin g'stochen!“ eilten Leute mit Laternen herbei und schleppten den Verwundeten wieder in den „roten Ochsen“ hinein, während sämtliche Raufbolde und Messerhelden schleunigst das Hasenpanier ergriffen! Andern Tags brachten die Knechte diese Kunde auf den Hirschhof mit dem

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