Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

6 wartet, und wirklich, kurz darauf schlich ein zwergartiger Bursche den Rand des Haages mit aller möglichen Vorsicht ent¬ lang, indem er sich überall umsah, ob er sich dem Hirschhofer unbemerkt nahen könne! Martl hatte ihn sofort erblickt und sang nun laut zu ihm hinüber, wohl um den Verwachsenen sicher zu machen: „Hon Kranwittbir (Wachholder) brockt Und Butzelküh (Tannen= und Fichtenzapfen) kloabt (gesammelt), A Bücherl (Frucht der Buchen) aufg’hob'n # 3 Am „Reißeck“) da ob'n!“ Sofort richtete sich auch der Ankömm¬ ling oben an den äußeren Schwarzholz¬ bäumen höher auf, und zum Hirschhofer schallte es wie Ziegengemecker hinab: Z' „Ast“ bald (wenn) i läut'n hör', Schwenkt sie da Turm, Und gar koan Kuraschi Hab'n d' Zwettener**) Buam!“ Im Ernst wäre letzteres nun eine große Beleidigung für Martl gewesen, der ja auch ein Zwettener Bauer war. Er hätte gewiß diese Beleidigung schwer gerochen, aber seltsam, heut' schmunzelte er nur! Obgleich es noch lange nicht elf Uhr, die im „Wald“ übliche Mittagszeit ist, so wirft er doch seine Axt weg und betritt einen schmalen Gangsteig, der ihn bald mitten in seinen Nadelwald hineinführt. Drin traf er nun mit dem Buckligen zu¬ ammen, und bald war das so absonder¬ lich, ja lächerlich zusammenpassende Paar, der tannengerade, riesige Bauer und der mißgestaltete, zwergartige Höcke¬ rich in ein eifriges, halblaut geführtes Gespräch vertieft, wobei sie sich aber oft scharf umschauten, als wenn sie sich ver¬ gewissern wollten, ob sie auch nicht be¬ lauscht würden! ... Eisig wehte mit Einbrechen der frühen Dämmerung über den Höhen des Rei߬ eckerberges der Wind, der aus dem *) Umweit der Schwarzach erhebt sich hinter der malerischen Forsthütte „Giebacht“ der Berg Reißeck mit wundervoller Fernsicht. **) Schwarzenwöhrberg, insgemein „Zwei teten“ genannt. „Böhmerwald“ herüberbläst, so daß sich die Wipfel der Bäume im Tann beugten und ächzten, die Fensterscheiben im um¬ fangreichen Hirschhof wie zur Begleitung klirrten; dazu rüttelte der immer heftiger werdende Sturm, als wollte er Einlaß begehren, gewaltig an den wohlver¬ schlossenen Toren und heulte seine schauer¬ lichen Weisen in den hohen, alten Ka¬ minen. Bleigrau trieb dichtes, dunkles Gewölk am Himmel dahin, und schlie߬ lich wirbelten daraus kleine Eiskörnchen hervor, denen bald mächtige Schnee¬ flocken folgten. Da rückten die Ehhalten (das Gesinde) enger in der großen Ge¬ sindestube um den mächtigen altväteri¬ schen Ofen aus gelben Kacheln mit offe¬ nem Wasserkessel, dem sogenannten Hohl¬ mäuerl, zusammen, der von den in Decke „Asel¬ und Fußboden eingelassenen stangen“ umstellt ist, die eine Art Ver¬ gitterung bilden. Drauf dörren etliche Knechte die von den anderen geschnittenen Schleußen (Spähne), welche allabendlich am Lichtstock und auch in ein paar Mauerblenden des geräumigen vierfenste¬ rigen, noch von Klosterzeiten her kreuz¬ gewölbten Gemaches die Stelle von Kerze oder Oellicht vertreten müssen. Sonst ging's um die Zeit gar munter um den großen Tisch von Feichten=(Fichten=) Holze her, und auch wohl manches Scherz¬ wort ward während des Nachtmahls laut, aber da heute der Hirschhofer selber bei seinen Leuten saß, wurde die Abend¬ „ suppe mit den Semmelklosen und den in der Reine mit Schmalz gebackenen „Ofen¬ männern“ — trockene Nudeln von Faust¬ größe, wovon meist drei Stück auf den Kopf treffen — schweigend verzehrt, denn war auch der junge Bauer auswärts als lustiger Bruder bekannt, daheim unter einen Dienstboten gab er sich stets ein¬ silbig. Auch in Prüfung der Arbeit der einzelnen Ehhalten war er so streng, daß ihn das Gesinde unter sich nur den „han¬ Gerade tigen“ (herben) Martl hieß .. . heute war der Hirschhofer wortkarger als je, auch mundete ihm weder die „brennte“ Suppe, noch die sonst sehr beliebten „Ofenmänner“.

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