Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

60 Ein Packet. Von G. Sternau. (Nachdruck verboten.) war an einem kalten Winter¬ tember und die Dämmerung schon ange¬ * abend, das Feuer brannte brochen, als wir den Wohnort und das 1 Sknisternd in dem hohen Ka¬ Haus meiner Verwandten erreichten. Mit min, und die einzige, mit herzlichem Willkommensgruß wurden wir einem grünen Schirm bedeckte Lampe von allen empfangen. Tante und Onkel warf ihr Licht nicht weit über den Tisch waren freundliche, schon etwas ältere hinaus, auf dem sie stand, so daß der Leute, ihre zwei Tochter, Johanna und übrige Teil des großen Zimmers in Gretchen, so munter und lebenslustig, wie schattenhaftes Dunkel gehüllt blieb. Nur ich es nur wünschen konnte. Wir waren rasch gute Freunde, so daß ich anderen zwei Personen befanden sich in dem weiten Gemache, eine ältere Dame und ein etwa Tages leichteren Herzens, als ich doch ge¬ zwölf Jahre alter Knabe, der offenbar fürchtet, meinen Vater abreisen sah. Nun mit Sehnsucht die Beendigung der Lek¬ ging's an ein Durchwandern von Haus türe erwartete, in welche die Großmutter und Hof, um möglichst bald mit meiner neuen Umgebung bekannt zu werden. Es sich vertieft hatte. Endlich blickte die alte Frau auf. war ein altes, großes Gebäude, umgeben „Erzähle mir etwas, Großmutter, von prächtigem Park, ungefähr eine halbe o bitte“ brach es von den Lippen des Stunde vom Dorf entfernt. Ich erinnere Knaben. mich noch immer der langen Gänge, der der „Erzählen?“ fragte lächelnd die Gro߬ vielen großen Zimmer und besonders weiten, etwas dunklen Eingangshalle, aus mutter. „So sage mir erst, welcher Art der eine breite Steintreppe mit vielen Ab¬ soll denn die Geschichte sein, die du gern hören möchtest?“ sätzen in das obere Stockwerk führte. Manche vergnügte Stunde haben wir „O, recht grausig und schauerlich etwas, das du selbst erlebt hast“, ant¬ Mädchen in dieser alten Vorhalle zuge¬ wortete der Knabe, und einen halb ängst¬ bracht, wenn der Herbst mit seinen Stür¬ lichen Blick in das Dunkel werfend, men uns aus Park und Garten vertrieb. chmiegte er sich eng an die Großmutter, Gerade in dieser Halle war es aber auch „ wo ich die Geschichte erlebte, die ich dir ihrer Erzählung zu lauschen. Eine kleine erzählen will. Pause entstand, während welcher Zeit die Es war an einem regnerischen Oktober¬ alte Dame nachdenklich in die Glut des Onkel die Nachricht Feuers blickte; dann aber begann sie: morgen, als mein von dem plötzlichen Tode seines Vaters „Ich war ungefähr sechzehn Jahre alt, als ich von Verwandten, die ich bis dahin erhielt und infolgedessen sofort abreisen mußte; die Tante begleitete ihn. Zu un¬ nicht gekannt, eingeladen wurde, einige erem Schutze blieb ein schon älterer Zeit bei ihnen zuzubringen. Mein Leben Diener, eine Art Haushofmeister. Er im elterlichen Hause war, da ich keine führte die Aufsicht über die anderen Leute, Geschwister hatte und wir auf dem Lande sah überall nach dem Rechten und betrach¬ in ziemlicher Entfernung von der nächsten tete überhaupt die Ordnung und Sicher¬ Stadt wohnten, meist recht einförmig, so daß ich mit Freuden die sich mir bietende heit des Hauses als sein besonderes Amt. Trotzdem in der letzten Zeit von zwei Aussicht auf Veränderung begrüßte. Nach oder drei ziemlich frechen Einbrüchen in einigem Ueberlegen seitens meiner Eltern der Nachbarschaft die Rede gewesen, waren wurde mir ihre Erlaubnis zu der Reise wir doch ohne Furcht. Wir wußten uns erteilt, und voll Erwartung befand ich unter der Obhut des alten Dieners sicher mich wenige Tage darauf in Begleitung geborgen. Außerdem wurde der große meines Vaters auf dem Wege in die Welt, wie ich es nannte. Es war Ende Sep¬ Hofhund abends stets von der Kette gelöst

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