Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

58 ters zuzog. „Was haben Sie denn wieder für einen Kniff? Schikanieren lassen wir uns nicht — verstanden!“ Nach einer halben Stunde wurde der Fall aufgerufen. „Na, meinte der Richter lächelnd „ist denn diese Sache noch immer nicht zu ich Ende? Ich meine doch, man könnte 7 vergleichen „Niemals!“ rief der Anwalt des Ver¬ mieters. „Niemals! Eine so frivole Klage wie diese ist hier im Hause noch nicht er¬ hoben worden. Mein Mandant zahlt heute noch eine Doppelkrone für jedes Ungeziefer, das in seinem Hause gefunden wird! „Nun“, schmunzelte Eser im Vorgefühl eines Triumphes, „dem Manne kann ge¬ holfen werden! Dabei überreichte er dem Richter ein Päckchen. „Was ist das? Was soll das?“ frug sein nervöser Gegner.„Wird jedenfalls bestritten! Der Amtsrichter hatte das Päckchen vorsichtig geöffnet. Jetzt machte er eine erstaunte, fragende Handbewegung. „Ich verstehe nicht!“ sagte er, „dieses reizende Mückchen wäre ja allerdings eine Doppelkrone wert.“ „Mückchen?“ stammelte Eser, sah näher hin, wurde blutrot, dann blaß und stot¬ terte: „Fatale — peinliche Verwechslung für eine junge Dame bestimmt „Ah pah!“ schrie der Gegenanwalt und warf seinem Klienten im Zuschauerraum einen triumphierenden Blick zu. „Schlaue — Finte weiter nichts! Prozeßverschlep¬ pung! Ich bestehe heute endlich einmal auf Urteil! Die Klage ist gänzlich beweislos!“ Eser war vernichtet. Er sah nur immer Nelly vor sich — Nelly mit den Wanzen Halb im Taumel murmelte er einiges und kam erst wieder recht zu sich, als der Richter das Barett aufsetzte und den Ur¬ teilsspruch verkündigte: „Die Klage wird kostenfällig abge¬ wiesen.“ Im Zuschauerraum hörte man einen Ohnmachtsschrei, welcher von der eben eingetretenen Frau von Schmetter her¬ rührte. Unter dem Hohngelächter seines Geg¬ ners wankte Eser von dannen. Aus dem Sitzungssaal der Straf¬ kammer wurde eben ein alter Einbrecher abgeführt, der wieder ein paar Jahre Zuchthaus erhalten hatte und mit Seelen¬ ruhe abtrollte „Nun kommt die Berufungssache Damien Knipser wegen Unterschlagung! agte der Vorsitzende. „Nun, Knipser, Sie mit ihren vielen, vielen Vorstrafen hätten sich doch wahrhaftig bei den vierzehn Tagen wegen der Uhr beruhigen können nun hat auch der Herr Amtsanwalt Berufung eingelegt — schließlich bekom¬ men Sie noch mehr! Wollen Sie denn nicht lieber das Rechtsmittel zurück¬ nehmen?“ „Nein, hoher Gerichtshof!“ entgegnete Knipser mit der demütigen Miene ge¬ kränkter Unschuld. „Ich werde dem Be¬ schädigten einen weitgehenden Ersatz leisten und hoffe daher sicher auf mil¬ dernde Umstände!“ Der Kronzeuge machte, als er vom Er¬ satz reden hörte, ein freundliches Gesicht, das sich aber zu einer wütenden Fratze verzerrte, als die Verhandlung so weit fortgeschritten war, daß der Anwalt des Angeklagten das bewußte Schächtelchen produzieren konnte, aus dem ein alter Zahn zum Vorschein kam. Die Richter konnten sich, während Eser „ vergeblich mit einer Aufklarung der Sache zu Worte kommen wollte, eines Lächelns nicht erwehren. „Lassen Sie nur gut sein!“ meinte der Vorsitzende gutmütig. „Mit dem Pfand¬ chein hätte sich Ihr Mandant ebenso¬ wenig herausgebissen — den kennen wir zur Genüge!“ Knipser ging denn auch mit sechs Wochen Gefängnis belastet von dannen und wäre sicher gegen seinen Anwalt in¬ juriös geworden, wenn sich dieser nicht durch schleunige Flucht jeder Ehrung ent¬ zogen hätte. In der Privatklage hatte der gegneri¬ sche Vertreter inzwischen seiner Partei zu

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