Steyrer Geschäfts- und Unterhaltungskalender 1905

36 Ruppert, es is a schmuckes Dirndl, was dein Sohn heimführt; geb’ aber auch hübsch acht, klang der Zigeunerin Warnung, daß 's ihm nit verloren geht! Weiter wollt' i dir nichts sagen. Nun gehab dich wohl, mei Schatz, gehab dich wohl mit all dein Geld und Gut, und falls du morgen in der Früh dein Schwiegerkind schaust, so grüß' es auch fein von der alten Erna! Ehe der Goldbauer noch etwas er¬ widern konnte, war die Alte verschwun¬ den, schnell, spurlos, wie sie gekommen. Eine furchtbare Angst bemächtigte sich des Goldbauers, umsomehr, da er nicht im¬ stande war, Hilfe zu schaffen, wo ihm ein so schweres Unheil, durch der Zigeu¬ nerin Warnung, bevorstand. Was hätte der reiche Mann in diesem Augenblicke darum gegeben, wenn er auch nur im¬ tande gewesen wäre, ins Dorf zu gehen; drohte doch der Tochter des Ortsrichters Gefahr, und dieser hätte gewiß alles in Bewegung gesetzt, wo es galt, sein Kind zu beschützen. Bald aber verlachte Rup¬ pert seine Furcht, ja, dieselbe kam ihm kindisch vor, denn, was sollte die Alte be¬ ginnen? Zigeuner waren nicht im Dorfe, auch seit Wochen nicht in der Umgebung gesehen worden, und so begann Ruppert das ganze Manöver der Alten für eine Drohung zu halten, ja, die einzige Em¬ pfindung, die er noch für sie übrig be¬ hielt, war Haß, glühender Haß. Freilich, die Alte, an die er jetzt mit Abscheu dachte, war einmal jung, schön, bezaubernd schön gewesen, er hatte ihr Leben, ihre Jugend vergiftet, er machte sich kein Gewissen daraus, sie ins Elend zu stoßen, gehörte ie doch jenem unglücklichen Stamme an, dessen Fluch es ist, heimat= und stättelos durch die Lande zu irren. „Ruppert,“ sprach er für sich, „wie töricht bist du doch, daß du auch nur einen Augenblick die Alte fürchten konntest; hast sie nicht gefürchtet, als sie noch jung und kräftig war und wolltest jetzt vor der altersschwachen Greisin zittern! Pfui Ruppert, schäme dich!“ Am Abend herrschte laute Freude im Hause des reichen Goldbauers. Musik und Gesang schallten hinaus in die Nacht, unterbrochen von den gleichmäßigen Schritten der im Takt sich bewegenden Tänzer. O, der reiche Goldbauer Ruppert konnte seinem Sohne schon eine stattliche Hochzeit ausrichten, daher fehlte auch keiner von denen, die in der Dorfgemeinde irgendwie eine Stimme hatten, ja, für die Armen war ein besonderer Raum her¬ gerichtet, denn, wenn der Goldbauer auch sonst nicht gerade wohltätig war, so wußte er doch zur Zeit zu zeigen, daß er nicht mit Unrecht für den reichsten Mann in der Gemeinde gehalten wurde. Da waren die reichsten Schüsseln, so daß selbst be¬ güterte Bauern im stillen den Reichtum und den Luxus des Goldbauers bewun¬ derten, und bis zum Abend zog sich der Festschmaus hin, dann aber fröhnte das junge Volk der Lust am Tanze, während die Alten sich am Spiel vergnügten. In¬ dessen, alles im Leben nimmt ein Ende, und als die Mitternacht herannahte, war es auch im Hause des Goldbauers ruhiger geworden. Die meisten Hochzeitsgäste hatten bereits ihr Heim aufgesucht, und nur wenige junge Paare drehten sich noch beim Tanz; diese sollten plötzlich auf grauenhafte Weise überrascht werden. Peter, der Bräutigam, dem so viele noch vor wenigen Minuten sein Glück benei¬ deten, stürzte in den Tanzsaal, bleich, verstört und so erschöpft, daß er kaum ein Wort hervorbringen konnte. „Wo ist Käthe?“ rief er endlich, wäh¬ rend seine Blicke suchend umherirrten. „Wo ist Käthe?“ Dieser Schreckensruf pflanzte sich mit Windeseile durch das ganze Haus, ja, trotz der Nacht durch das ganze Dorf. Doch kein Mensch konnte auf die Frage antworten. Auf rätselhafte Weise war Käthe verschwunden. Der Sohn des reichen Goldbauers hatte wohl kaum hundert Schritte von der Wohnung seines Vaters ein eigenes Haus, hierhin wollte er die junge Frau führen. Er verließ heimlich, wie es ja die Sitte mit sich bringt, mit seiner hübschen Beute das Haus und begab sich auf den Heim¬ weg. Da plötzlich, in der Nähe seiner Wohnung angekommen, verschwand Käthe

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